Notruf 110 im Kreis Mettmann Wer die 110 wählt, spricht mit ihm

Mettmann · Polizeinotruf 110 – ein halbes Leben lang: Polizeihauptkommissar Klaus Müller arbeitet seit 29 Jahren in der Leitstelle.

Hier kommen die Notrufe aus dem Kreis Mettmann an: Die vierte Leitstelle in der Dienstzeit von Klaus Müller ist die modernste.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Er hört sofort, wenn‘s ernst wird: Seit mittlerweile 29 Jahren arbeitet Polizeihauptkommissar Klaus Müller (60) in der Leitstelle der Kreispolizei Mettmann. Dort gehen er und seine Kollegen ans Telefon, sobald jemand die „110“ wählt. Bei durchschnittlich 10.000 Polizeieinsätzen im Kreis Mettmann pro Monat und 70 bis 100 Notrufen pro Stunde ist das alles andere als ein ruhiger Schreibtischposten: „Ja, manchmal kann es stressig werden. Aber andererseits: Langweilig wird meine Aufgabe auch nach all den vielen Jahren nicht“, sagt Müller.

Mittlerweile steht Müllers Arbeitsplatz in einer durchdigitalisierten, hochmodernen Leitstelle. Penibel nach Arbeitsschutzrichtlinien gesetztes Licht, Schallschutz, Klimatisierung, Computer und jede Menge Bildschirme gehören zur Ausstattung. „Das ist die vierte Leitstelle, die ich in meiner Laufbahn mitmache“, zählt Müller nach. In den Anfängen mussten Block, Stift, Telefon und ein Funkgerät reichen.

Unten in Mettmann gab es
den eisernen Schutzmann

Rückblick: Vor drei Jahrzehnten war die „110“ noch eine echte Notfallnummer. Downtown Mettmann gab es für Hilfesuchende den eisernen Schutzmann – Notrufsäulen, bei der ein Metallhebel umgelegt werden musste, um mit der Polizei zu sprechen. Mobiltelefone waren ein teurer Luxusartikel. „Für die Mehrheit der Bevölkerung gab es entweder die Telefonzellen unterwegs oder das Telefon zu Hause.“

Die Zeiten haben sich geändert; so wie die Scheu, die Polizei mal eben über die „110“ anzurufen. „Manchmal fragen mich Menschen nach der Uhrzeit. Oder gestresste Eltern bitten uns, ihre ungezogenen Kinder abzuholen“, berichtet Müller. Zwischen kuriosen Kontakten und Smalltalk gegen die Einsamkeit gilt es, die echten Notfälle zu erkennen und möglichst rasch Hilfe auf den Weg zu bringen. „Dabei hilft eine Mischung aus Erfahrung, Bauchgefühl und die Fähigkeit, sich in das Gegenüber am anderen Ende der Leitung hineinzuversetzen.“

Auf jeden Fall gilt: Bei einem echten Notfall befindet sich der Anrufer in einer Ausnahmesituation. Manchen Menschen stockt dann der Atem. Dann ist Stille in der Leitung. Andere reden sofort drauflos. Unsortiert. Das kann auch schwierig sein, wenn tatsächlich jede Sekunde zählt.

Klaus Müller wünscht sich dies: „Wichtig wäre, wenn sich die Anrufenden Antworten die drei goldenen W-Fragen überlegen: Wer ruft an? Was ist geschehen? Wo bin ich?“

Letzteres ist für Notlagen besonders wichtig. Denn die Leitstelle blickt auf zehn kreisangehörige Städte. „Ich stehe vor dem Schuhladen“ – hilft da als Ortsbeschreibung erst einmal wenig. Und wenn jemand sagt: „Ich bin in Mettmann auf der Hauptstraße“ ist meist die Düsseldorfer Straße gemeint. Das haben die Beamten der Leitstelle rasch heraus. „Mit der richtigen Mischung aus Einfühlsamkeit und ein wenig Strenge komme ich in der Regel weiter“, sagt Klaus Müller.

Was 110-Anrufer erwarten, ist sofortige Hilfe. Bei Menschen in Not, Verletzten, Bedrohten oder wenn es heißt: „Der Täter ist hier noch vor Ort“ wird nicht diskutiert, sondern Streifenwagen entsandt, der Hubschrauber angefordert, Verstärkung geordert oder ein Polizeihundeführer. Ein Unfall mit Blechschaden muss in dem Moment warten. Und für Falschparker auf Privatgrundstücken kommt die Polizei gar nicht – da ist es Sache des Grundstückbesitzers, ein Auto abschleppen zu lassen. „Das kann manchmal Diskussionen geben.“

Immer gilt: Auch in der Polizeileitstelle sitzen Menschen. Ein abgestürzter Kletterer in einem Wülfrather Steinbuch, der Notruf eines Juweliers, bei dem ein Schuss fiel und dann Stille war oder ein Mann mit einem abgerissenen Bein auf einem Bahnsteig irgendwo bei Erkrath oder Haan – das sind Ereignisse, die auch die Profis von der 110 verarbeiten müssen. Wer von ihnen nicht weiterkommt, hebt die Hand als Zeichen, dass man selbst Hilfe braucht. Polizeihauptkommissar Klaus Müller gibt seine Leitstellen-Erfahrung als Ausbilder an jüngere Kolleginnen und Kollegen weiter.