Sexuelle Gewalt im Kreis Mettmann Die perfiden Methoden der Loverboys

Mettmann · Mädchen ab zwölf und jungen Frauen wird zunächst Liebe vorgegaukelt. Dann werden sie in die Prostitution getrieben.

Der Arbeitskreis Loverboy-Methode hatte rund 50 Zuhörer ins Weltspiegel-Kino in Mettmann geladen.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Eva-Maria Düring hat einen Verdacht. „Wir sehen nur die alleräußerste Spitze eines riesigen Eisbergs“, sagte die Bereichsleiterin Frauen und Familie im SKFM – Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer – gestern im Weltspiegel-Kino. Rund 50 Beraterinnen, Mitglieder von Initiativen und des Opferschutzes der Kreispolizei diskutierten dort am Mittwoch über „Loverboys“ – zumeist junge Männer, die Mädchen und Frauen in die Prostitution zwingen.

Was aufgrund des Begriffs „Loverboy“ nach einem exotischen Filmtitel aus Hollywood klingt, ist auch im Kreis Mettmann weit verbreitet. Den Verdacht haben zumindest die Aktivistinnen, die sich im Verein Windrose gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution engagieren. „Wann immer wir mit Mädchen der Klassen 7 oder 8 in den hiesigen Schulen über das Thema sprechen, war mindestens eine Schülerin selbst betroffen oder kannte jemanden, dem so etwas passiert ist.“

Dahinter steckt eine perfide Methode. Die Loverboys erschleichen sich zunächst das Vertrauen ihrer Opfer und geben vor, sie zu lieben. Dann machen sie sie abhängig, isolieren sie gezielt von Familie und bisherigen Freunden. Am Ende werden die Betroffenen unter Drogen gesetzt, mit Gewalt gefügig gemacht und anschaffen geschickt.

Eva-Maria Düring vom SKFM Mettmann führte durch das Thema und den gesamten Vormittag.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Die Entwicklung gehe zunächst langsam vor sich, berichtete ein betroffener Vater, der dies in den Jahren 2007 und 2008 mit seiner Tochter durchlebt hat. Sie habe sich zunehmend entfremdet. „Ich konnte zunächst nichts dagegen tun. Und damals bekam ich auch keine Hilfe, keinerlei Unterstützung. Am Ende bin ich von Düsseldorf bis auf die Reeperbahn gefahren, um dort zu erfahren, dass es auch in Düsseldorf eine Beratungsstelle gibt.“ Mittlerweile gehe es seiner Tochter wesentlich besser. Der Mann hat eine Elterninitiative gegründet, um andere Mütter und Väter zu unterstützen: „Das ist wie bei einem Marathon. Da brauchen die Läufer auch Streckenposten, um zu erfahren, wie es weitergeht.“ Im Kreis Mettmann hat sich bereits 2019 ein Arbeitskreis „Loverboy-Methode“ gegründet, um den Mädchen und Frauen einen Weg hinaus aus der Abhängigkeit und der Prostitution zu zeigen – aber auch, um Angehörige zu informieren und zu unterstützen. Der SKFM, der Opferschutz der Kreispolizei, der Verein Windrose und die Gleichstellungsstelle der Stadt Erkrath gehören zu diesem Netzwerk. Andrea Bleichert vom SKFM Erkrath gehört zu den Gründungsmitgliedern: „Ich hatte 2016 zum ersten Mal mit einem Loverboy-Fall zu tun. In Erkrath. Und musste mir die Informationen mühsam zusammensuchen.“ Drei Jahre später gründete sie gemeinsam mit anderen den Arbeitskreis. 

Gemeinsam sind sich die Vorkämpferinnen gegen sexualisierte Gewalt einig: Mit Druck erreiche man gar nichts. Manchmal sähen sich die betroffenen Mädchen und jungen Frauen zunächst nicht einmal als Opfer, berichtete Andrea Fikenscher von der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt im SKFM Mettmann: „Wir hören konzentriert zu und zeigen Auswege auf. Die Schritte müssen aber die jungen Frauen in ihrem eigenen Tempo gehen.“ Ein wichtiges Instrument dabei sei die anonyme Spurensicherung, die in den Krankenhäusern des Kreises Mettmann mittlerweile möglich ist. So können Frauen sexuelle Gewalt und Übergriffe gerichtsfest dokumentieren lassen, ohne sofort Anzeige erstatten zu müssen.

Kriminalhauptkommissarin Heike Jung vom Opferschutz des Kreises Mettmann appellierte an den Gesetzgeber, die Loverboy-Taten nicht länger als Menschenhandel, sondern im Bereich der Sexualdelikte verfolgen und bestrafen zu lassen. Dies werde helfen, das enorme Dunkelfeld rund um die Loverboys aufzuhellen.