NRW Zehn Mal pro Tag Unfallfluchten
Kreis Mettmann · Mindestens zehnmal pro Tag riskieren Autofahrer im Kreis Mettmann, dass aus einer Bagatelle ein Strafverfahren wird. Sie beschädigen fremdes Eigentum – und fahren weg. Dabei wird knapp jede zweite Unfallflucht aufgeklärt.
Ein Garagenhof an der Eichenstraße in Hochdahl Millrath: Dort hat am 14. Mai etwas Großes gewendet. Und zwar mit Schwung, wie die Polizei hinterher feststellte: „Die Wucht des Anpralls in einer Höhe zwischen 78 und 115 cm über Grund war dabei so groß, dass nicht nur der Putz abplatzte, sondern auch die Betonwand neben dem Garagentor in Teilen erheblich zerstört wurde.“ Mindestens 4000 Euro Schaden blieben zurück. Der Verursacher aber gab Gas – obwohl sein Fahrzeug ebenfalls beschädigt worden sein muss und der Rums deutlich spürbar war.
Flucht vom Unfallort ist zu einem Alltagsdelikt geworden. Mindestens zehn Mal pro Tag rempelt, ratscht, zerbeult jemand das Eigentum von anderen. Und gibt Fersengeld. Bei nüchterner Risikoabwägung ist das dumm. Das Missgeschick wäre mit ein paar hundert Euro aus der Welt zu schaffen. Stattdessen riskieren flüchtige Fahrer ein Strafverfahren. Nach Paragraph 142 des Strafgesetzbuchs kann das unerlaubte Entfernen vom Unfallort mit einer Geldstrafe, aber auch mit einer Haft von bis zu drei Jahren geahndet werden. Zudem können die Richter den Führerschein entziehen und bis zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis eine Sperrfrist verhängen.
Psychologin erklärt Flucht
als einen Reflex
Warum handeln Fahrerflüchtige so unvernünftig? Die Mettmanner Psychologin Andrea Löffler sagt: „Die Angst vor Strafe und Scham wirken zusammen wie ein Reflex: Und der sagt: Flucht!“ Das sei nicht steuerbar, sondern laufe im Unterbewusstsein ab. Erst viel später könne man wieder klar denken.
„Fahrerflucht scheint ein Delikt der Männer zu sein“, analysiert eine Sprecherin der Kreispolizei Mettmann. Von den ermittelten Fahrerflüchtigen im Jahr 2019 waren 1200 männlich, 484 weiblich. Apropos ermittelt: Die Aufklärungsquote der Kreispolizei Mettmann ist bei Fahrerflucht höher als viele annehmen. Sie lag im Jahr 2020 bei gut 40 Prozent der polizeibekannten Fälle, solange es allein um Sachschäden ging. Kommen Personen zu Schaden, schnellt der Wert für den Ermittlungserfolg hoch auf 65 Prozent.
„Dahinter stecken in der Regel aufmerksame Zeugen und eine Menge Kleinarbeit unserer Spezialisten“, erläutert die Polizeisprecherin. Spuren bleiben in der Regel immer zurück. Anhand von Lackresten und Splittern können Polizisten Typ, Baujahr und Farbe des Verursacher-Fahrzeugs ermitteln. Eine weitere Quelle für Ermittlungserfolge sind die Werkstätten. Denn wer einen Schaden nicht meldet, möchte verräterische Spuren am eigenen Auto möglichst rasch beseitigen.
Warum aber stehen immer weniger Autofahrer zu dem, was sie da möglicherweise angerichtet haben? Mabel Stickley von der Psychologischen Beratung Mettmann sagt: „Dafür gibt es aus meiner Sicht eine ganze Reihe von Gründen.“ Einer davon sei Stress, der durch die Corona-Pandemie noch einmal verstärkt werde. „Man setzt sich in sein Auto, hat es eilig, schaltet die Musik ein, ist in Gedanken noch woanders und merkt gar nicht, dass man ein anderes Fahrzeug beschädigt.“ Manche Fahrerflüchtige wollten ganz einfach Geld sparen, auch wenn das viel zu kurz gedacht sei.
Ältere Menschen haben oft Angst, ihren Führerschein zu verlieren
Hier könnte ihrer Meinung nach eine Kampagne helfen, die die Folgen des eigenen Handelns deutlich macht. Bei älteren Menschen komme die Angst hinzu, den Führerschein für immer zu verlieren. Mabel Stickley sagt, das mehrfach pro Woche Familien bei ihr erfragen, wie Oma und Opa möglichst schonend nahegelegt werden kann, den eigenen Führerschein ruhen zu lassen. „Hier finde ich ein Angebot des TÜV Süd gut“, sagt Mabel Stickley. Dort werden nicht nur PS-Oldtimer auf ihre Verkehrssicherheit getestet. Auch Fahrer können ihre Verkehrstauglichkeit überprüfen lassen: Hören, Sehen, Reaktionsvermögen. Am Ende stehe eine objektive Einschätzung der eigenen Fahrtüchtigkeit.