Wer zieht in den Bundestag ein?
Bürger aus Ratingen, Heiligenhaus, Velbert und Wülfrath entscheiden mit ihrer Stimme für den Wahlkreis 105.
Kreis Mettmann. Im Pendel-Leben zwischen der Bundeshauptstadt und dem niederbergischen Wahlkreis steckt für den CDU-Bundestagsabgeordneten der Teufel manchmal im Detail. „Leben aus dem Koffer“ — das kennt er in Berlin. Voraussetzung: Der Koffer muss auch mit dem Fluggepäck ankommen — was nach seiner leidvollen Erfahrung gelegentlich nicht pünktlich funktioniert. Und es sind nicht nur die Joggingschuhe, die der 46-Jährige dann dort in seinem „Leben ohne festen Wohnsitz“ vermisst. So nennt er seine Berliner Existenz augenzwinkernd. Zuhause in Hösel sieht es mit dem Dauerlauf etwas besser aus. Drei Runden à vier Kilometer am Stück sind kein Problem — wenn denn die Freizeit reicht, was derzeit eher selten der Fall ist. Auf jeden Fall hat er fürs Laufen sein Smartphone mit einer „Ehrgeiz-App“ bestückt.
Auf der anderen Seite erfordern die überschlägig 1000 Abgeordneten-Termine pro Jahr eine stabile Kondition. Darin sind Wahlkampf-Zeiten noch gar nicht eingerechnet. Auch hier hat sich Beyer mehr und mehr als Abgeordneter auf der Langestrecke etabliert. Er tritt zum dritten Mal in Folge zur Wahl an. Aber fix im Gedächtnis ist dem Fachanwalt noch der Abend seiner ersten Urwahl in der Aula des Heiligenhauser Kant-Gymnasiums: „Ich war als Kandidat krasser Außenseiter, brachte eine Wahlperiode im Heiligenhauser Stadtrat als politische Praxiserfahrung mit.“ Das sieht inzwischen grundlegend anders aus — nach einer parlamentarischen Lernphase. Die unterscheide sich eben grundlegend von „früheren „Auftritten als Anwalt im Gerichtssaal“ mit Spezialgebiet Urheberrecht. Nicht geändert hat sich dagegen seither „der breite Rückhalt an der Wahlkreis-Basis“. Umso mehr freut es den Kandidaten, dass er von Beginn an in Berlin Aufgaben übernehmen konnte, die seinen Wünschen entgegenkommen: Außenausschuss, Rechtsausschuss, Verteidigungsausschuss — das sind die Stichworte für seinen politischen Terminkalender. „Mehr Verantwortung übernehmen“ — so vorsichtig deutet er seine Ambitionen für die Zeit nach dem Wahltag am 24. September an. Beyer hat seine Zulassung als Fachanwalt noch in der Tasche — und wird auf dem Weg von Pflicht-Fortbildungen weiter dafür sorgen, dass dies so bleibt. Paul Köhnes
Wie häufig Kerstin Griese im Flieger in all den Jahren die Strecke zwischen Berlin und ihren Wahlkreis bereits zurückgelegt hat, dürfte nicht mehr zu zählen sein. Es gibt etwa 22 Sitzungswochen pro Jahr; und jedes Wochenende fliegt die Ratingerin zurück nach Hause. Im Angertal geht sie gerne spazieren; in Wülfrath mag die Bundestagsabgeordnete, die im fränkischen Gerbrunn und in Düsseldorf aufgewachsen ist, die Gegend rund um den Zeittunnel. Sie freut sich, wenn dieser renoviert und modernisiert wieder eröffnet wird. Im Jahr 2000 zog sie für die SPD in den Bundestag ein, damals als Nachrückerin und eine der jüngsten Abgeordneten. Schon zum fünften Mal bewirbt sich die Sozialdemokratin nun für den Einzug in den Bundestag. Ihr Kontrahent um das Direktmandat, Peter Beyer (CDU), ist ebenfalls ein erfahrener Parlamentarier — dem sie bei der vergangenen Wahl im Kampf um das Direktmandat unterlag. Gleichwohl konnte sie damals einen Achtungserfolg verbuchen, erhielt sie doch deutlich mehr Erststimmen als die SPD Zweitstimmen. Wenn es diesmal wieder so sein sollte, kann sie sich relativ sicher sein, dass sie in Berlin ihre Arbeit fortsetzen kann. Kerstin Griese steht auf Platz vier der Landesliste. Mit nahezu 99 Prozent Zustimmung haben die Parteifreunde die 50-Jährige auf diesem vorderen Platz abgesichert: „Das ist eine großartige Bestätigung für meine Arbeit, insbesondere als Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales.“ Vom Mindestlohn bis zu den Verbesserungen bei der Rente — viele Gesetze habe sie in dieser Position auf den Weg gebracht. Sozialpolitik zieht sich wie ein roter Faden durch ihren Lebenslauf. Es ist ein politischer Weg bei der SPD, zu dem als Studentin auch das Engagement in der Juso-Hochschulgruppe der Universität Düsseldorf gehörte. Die Pfarrerstochter gehört dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an, ist seit der Jugend kirchlich aktiv. Wahlkampf macht sie auch im Wohnzimmer. Menschen im Wahlkreis dürfen sie getrost dorthin einladen. Die steigende Altersarmut macht ihr Sorgen. „Wer für höhere Renten sorgen will, muss bei der Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit, Lohndumping und unsicherer Beschäftigung ansetzen.“ O. Wiegand/G. Tewes
Fotos (2): Blazy