Mensch & Stadt „Lockdown ist ein Schlag ins Genick“
Nach den guten Sommermonaten hatte Gastronom Peter Ratajczak noch die Hoffnung, mit einem blauen Auge durch die Pandemie zu kommen. Der zweite Lockdown ist ein Schlag ins Genick.
Unsere aktuelle Situation wird offensichtlich von vielen Mitbürgern vollkommen falsch eingeschätzt. Zwar hatten wir ein gutes Sommergeschäft, der neue Lockdown aber ist eine Katastrophe. Das hat verschiedene Gründe. Einer davon ist, dass überhaupt nicht erkennbar ist, wie es jetzt mit und in der Pandemie weitergeht. Die Infektionszahlen steigen, es ist ja auch bislang kein Impfstoff in Sicht.
Mindestens ebenso relevant als Selbstständiger ist für mich, wie die Gastronomie nun wirksam unterstützt werden soll. Dazu gibt es bislang keine konkreten Informationen, Anträge dürfen frühestens Mitte des Monats eingereicht werden.
Das alles beunruhigt, denn die Kosten für die Kneipe in Form von Miete und Versicherungen laufen ja weiter. Die versuche ich mit Rücklagen aufzufangen. Ja, die Erlöse aus dem Sommergeschäft waren gut – so lange das Wetter schön war und die Gäste unsere Terrasse nutzen konnten. In der Super-Sonnenphase war der Biergarten an jedem Abend voll. Aber wenn das Wetter nicht mitspielte, gab es eben auch keinen Umsatz.
Richtig Speck konnten wir also nicht ansetzen. Denn der erste Lockdown war unmittelbar vor St. Patrick’s Day, dem höchsten irischen Feiertag – das traf uns wie ein Hammer. Dann war Pause, Wiedereröffnung und einen sogenannten Goldenen Oktober gab es in diesem Jahr auch nicht. Mit Monatsbeginn November rutschten unsere Umsätze dann stetig nach unten. An manchen Abenden hatten wir gerade mal hundert Euro in der Kasse. Wir sind ein Irish Pub, wir leben eigentlich vom Feiern, Beisammensein und der Kommunikation. Normalerweise gehört deshalb auch zweimal im Monat Live-Musik dazu, mal irische Sounds, mal internationale. Das alles ist seit der Corona-Pandemie unmöglich.
Aber das Ausgehverhalten hat sich ohnehin längst und radikal verändert. Als ich jung war, gingen die Leute mittwochs, freitags und samstags aus. Jetzt ist der Freitag als umsatzstarker Tag geblieben. In einer klassischen Kneipe wie unserer gibt es 50 Plätze. Ganz ehrlich: Da trage ich keine Goldbarren raus. Die goldenen Zeiten sind lange, lange passé.
Wie es nun weitergeht? Das gleicht nach meiner Einschätzung dem Blick in eine Glaskugel. Nachdem in diesem Pandemie-Jahr sowohl Weinsommer als auch Heimatfest ausgefallen sind, von denen wir natürlich mit unserer Lage am Markt in den Vorjahren profitierten, wird nun auch der Blotschenmarkt nicht stattfinden. Auch das ist eine Katastrophe. schlimmer geht es eigentlich nicht. Der Dezember gehörte in den Vorjahren bei uns zu den umsatzstärksten Monaten. Ohne Gäste haben wir keine Chance. Und da spreche ich nicht für meine Frau und mich sowie unsere Kneipe allein, ich rede hier stellvertretend für die meisten Mettmanner Kollegen.
Es gibt keinen Spielraum zum Überleben. So gesehen ist der Lockdown mit den Ausgleichszahlungen für uns die beste Lösung. Natürlich versuchen wir jetzt, mit dem To-go-Geschäft ein bisschen Geld zu erwirtschaften. Aber wir sind ein Pub, Essen ist nicht unser Kerngeschäft. Es bleibt nur zu hoffen, dass unsere Stammkunden nach Ende der Pandemie zurück zu uns finden. Die Zeit bis dahin nutze ich, um allerlei Papierkram zu erledigen. Und Fußballbildchen zu sortieren. Die sammele ich seit 1963, damals war Anpfiff für die erste Fußballbundesliga. So schwelge ich manchmal in Erinnerungen. Denn das Jahr 2020 – ich musste auch noch eine Herzoperation überstehen – war furchtbar. Ein Jahr zum vergessen. Außer Ängsten und Nöten ist nichts gewesen. Am liebsten würde ich es streichen.