Als in Haus Merks Särge lagerten

Bei einem Rundgang mit dem Lintorfer Heimatverein lernten die mehr als 50 Teilnehmer viel über die wechselvolle Geschichte des Ratinger Stadtteils.

Foto: Achim Blazy

Ratingen. So wie man die Lintorfer Haupteinkaufsstraße heute kennt, gibt es sie erst seit knapp 40 Jahren. Noch in den 40er Jahren war sie zu beiden Seiten von Gräben gesäumt. Erst in der Wirtschaftswunderzeit nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Speestraße zu Lintorfs Geschäftszentrum. Bei einem Rundgang ließ der Lintorfer Heimatverein die wechselvolle Geschichte Revue passieren.

Im Laufe der Zeit hat sich nicht nur der Name der Straße von Vieh- über Karl-Beck- (30er Jahre) und Admiral-Graf-Spee- (NS- Zeit) bis hin zur Speestraße (ab 1946) geändert. In ihrer Themenführung gaben Walburga Fleermann-Dörrenberg und Andreas Preuß vom Lintorfer Heimatverein den Teilnehmern einen kurzen Überblick über den Wandel der Geschäftswelt. Viele der Läden gibt es schon lange nicht mehr, andere existieren immer noch, teils an ihrem ersten Standort, andere haben ihn gewechselt.

Fleermann-Dörrenberg und Preuß kennen nicht mehr alle der ehemaligen Geschäfte, dafür aber einige der Teilnehmer der Führung, die gerne die Ausführungen der beiden durch ihr Wissen aus der Anfangszeit der Speestraße ergänzten. So gab es Infos zur Apotheke am ehemaligen Rathaus, dort, wo auch schon früher die erste Lintorfer Apotheke Niemann stand sowie zum Bistro und Café Haus Merks. Das alte Haus mit seiner mehr als 200-jährigen Geschichte fungierte damals unter anderem als Schreibwarenladen, Bäckerei, Tabakwarenladen und diente sogar einmal als Lager für Särge.

Uhrmacher Steingen betrieb sein Geschäft dort, bevor er zu Beginn der 50er Jahre auf die andere Straßenseite wechselte. Eine weitere Station auf der Tour waren die sogenannten Geissler-Häusern, benannt nach ihrem Erbauer, wo früher einmal das Postamt für Lintorf zu Hause war: Es führte dazu, dass die Speestraße Hauptgeschäftszentrum wurde.

Eine Teilnehmerin erzählte über den damaligen Inselmarkt auf der Speestraße

Heute kann dort unter anderem Spielzeug gekauft werden. Auch der ehemalige „Inselmarkt“ und der Spielzeugladen „Irlich“ gegenüber der Tankstelle, bei der schon seit dem Jahr 1955 getankt werden kann, weckte Erinnerungen an einen der ersten großen Lebensmittelläden. „In der Nachkriegszeit hatten wir nicht so viel Geld, darum gingen wir immer im Inselmarkt einkaufen. Außerdem gab es dort frischen Fisch direkt aus dem Aquarium zu kaufen“, berichtete eine Teilnehmerin.

Auf der anderen Straßenseite steht seit 1955 ein Büdchen. Dieter Liere erinnerte sich noch an den damaligen Besitzer Hans Raasch, der es mit seinen beiden Schwestern betrieb. „Dort wurden die Lintorfer mit allem versorgt, wenn die anderen Geschäfte geschlossen hatten. Sie hatten immer auf, auch samstags und sonntags“, sagte er. Im Jahre 1954 starrten viele Lintorfer gebannt in das Schaufenster des Haushaltswarenladens Plogmann. Denn dort stand einer der ersten Fernsehgeräte in Lintorf, auf dem das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft übertragen wurde. Bei der der Themenführung wurde klar, dass die Fluktuation auf der Speestraße im Laufe der Zeit zugenommen hat. „Vielleicht liegt es daran, dass weniger hier vor Ort gekauft wird, dass die Mieten immer weniger bezahlt werden können oder dass immer weniger Nachfolger Interesse haben, ein Geschäft zu übernehmen“, so Preuß.