Kultur in Ratingen Ratinger Kammerchor startet mit neuer CD durch

Ratingen · Gemeinsam haben der Ratinger Kammerchor und ein Akkordeon-Trio aus dem polnischen Krakau eine CD auf die Beine gestellt. Mit der Produktion beschreiten sie musikalisches Neuland.

Das Foto zeigt ein Zusammentreffen vor der Corona-Pandemie des Kammerchors Ratingen und der Akkordeonspieler des Motion Trios aus Krakau. 

Foto: USB-STiftung/USB-Stiftung

(Red) „P 75“ – so lautet der Projektname und Titel der erschienenen CD, den die Initiatorin, Ideengeberin und Produzentin, die gemeinnützige Ratinger USB-Stiftung, gewählt hat. Hinter diesem Titel verbirgt sich die Idee, mit einem gemeinsamen Musikprojekt des international renommierten Motion Trio aus Polen und des Ratinger Kammerchores 75 Jahre weitgehenden Frieden sowie Demokratie und Meinungsfreiheit in Europa zu würdigen.

Die Idee zu dem Projekt entstand im Februar 2019 bei einem Konzert in der Friedenskirche. Zum Repertoire gehörte damals der von Janusz Wojtarowicz anlässlich des Tschetschenienkriegs komponierte Titel „Sounds of War“, eine Komposition, die Szenen eines Krieges ausschließlich mit instrumentalen Mitteln reflektiert. Daraus entstand die Idee, aus Anlass des 75. Jahrestags der Beendigung des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 2020, ein deutsch-polnisches Musikprojekt mit dem Krakauer Motion Trio und dem Ratinger Kammerchor zu entwickeln.

Musik soll Weg zur Europäischen Union symbolisieren

Die Musik des Projektes soll, ausgehend vom 8. Mai 1945, die Entwicklung der letzten 75 Jahre in Europa vom Krieg zum Frieden, vom Totalitarismus zur Demokratie und vor allem den Weg von Nationalstaaten hin zu einer Europäischen Union symbolisieren und würdigen.

Beide Ensembles haben in der Vergangenheit bereits durch ihr Interesse an ungewöhnlichen Projekten auf sich aufmerksam gemacht; das Motion Trio durch Kooperationen mit dem Filmkomponisten Michael Nyman, mit dem US-amerikanischen Vokalkünstler Bobby McFerrin sowie mit verschiedenen Symphonieorchestern; der Ratinger Kammerchor durch Konzerte mit dem schwedischen Jazz-Pianisten Jan Lundgren aber auch Genreübergreifend mit verschiedenen Produktionen des zeitgenössischen Musiktheaters. Daher erschienen das Instrumentaltrio und das Vokalensemble geradezu prädestiniert für dieses pionierhafte Experiment, das ursprünglich zum 75. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai des vergangenen Jahres abgeschlossen werden sollte. Pandemiebedingt musste es jedoch verschoben werden.

Janusz Wojtarowicz, führender Kopf und Gründer des Motion Trio, und Dominikus Burghardt, künstlerischer Leiter des Ratinger Kammerchores, haben gemeinsam mit der USB-Stiftung die Stücke für die CD ausgewählt. Dazu gehören eigens für das Projekt geschaffene Arrangements aus dem Repertoire des Motion Trio und aus dem Bereich der Filmmusik, mehrere Neu-Kompositionen sowie eine Auswahl reiner Instrumental- und Vokalmusik. Alle auf der CD zusammengestellten Stücke reflektieren verschiedene Einzelaspekte der thematischen Grundidee, die teilweise schon aus den Titeln wie „Sounds of War“ oder „Litania“ abzuleiten sind. Dabei ist das Ende des Zweiten Weltkriegs Ausgangspunkt des roten Fadens, der der Abfolge der Werke auf der CD zugrunde liegt. Retrospektiv folgt der Blick zurück auf die Kriegswirren und die daraus resultierende Ohnmacht hin zum Gewahrwerden ihrer Realität, dem Innehalten und schließlich dem Aufbruch in eine bessere Zukunft.

Besonderes Merkmal der CD ist ihre Vielfalt in musikstilistischer Hinsicht. Vertreten sind sakrale Klassik, Filmmusik, Elemente jüdischer Balkan-Musik und des Jazz sowie minimal music. Neben dem typischen Akkordeon-Sound bietet die CD eine faszinierende Bandbreite an klanglichen Facetten und Verfremdungs-Effekten, die atemberaubende Möglichkeiten aufzeigen; so verwandelt sich das Akkordeontrio zum Schlagzeugensemble oder wartet mit Klangkaskaden auf, die nach Geräusch-Effekten, die „letzten Atemzüge“ assoziieren lassen.

Auch das Vokalensemble tritt mit Passagen des kollektiv-rhythmisierten Sprechens bis hin zu auseinanderfallendem Flüstern, das sich schließlich ganz auflöst, in Bereiche jenseits der gewohnten Form des Singens. Hierbei wird dem Chor kantilener Wohlklang und klangliche Homogenität ebenso wie höchste rhythmische Präzision in temporeichen Passagen und Stimmakrobatik in Extremlagen abverlangt. Die Ausführenden betraten musikalisches Neuland und die CD lädt zu einem Hör-Abenteuer ein, das sich lohnt; sowohl in Bezug auf ihr Thema aber auch aufgrund der Ersteinspielungen von Werken in einer Besetzung, für die es auf dem Musikmarkt keine Vorgänger gibt.