Der Stadt fehlen Häuptlinge
Eigentlich sollen im Rathaus vier Dezernenten die Richtung vorgeben. Doch zwei Stellen sind nicht besetzt. Bewerbern fehlt die politische Rückendeckung.
Ratingen. Die Stadtverwaltung wirkt orientierungslos und ihren Häuptlingen geht langsam die Luft aus. Statt der vorgesehenen vier Dezernenten, die die große Linie im Rathaus vorgeben sollen, arbeiten nur zwei. Und das schon lange am Limit.
Klaus-Konrad Pesch und Rolf Steuwe gehen auf dem Zahnfleisch, oder auf dem, was davon übrig geblieben ist. Der dritte Dezernent, Ulf-Roman Netzel, ist seit drei Jahren vom Dienst suspendiert. Der vierte, Dirk Tratzig, wurde im Frühjahr nicht wiedergewählt. Seine Stelle wurde neu ausgeschrieben.
In zehn Tagen soll der Stadtrat den Nachfolger wählen. Also alles wieder gut? Mitnichten. An den Kandidaten scheiden sich die politischen Geister, möglicherweise fällt die Wahl deshalb aus.
29 Bewerber hatten sich gemeldet. Neun kamen in die engere Wahl und wurden auf Herz und Nieren geprüft. Übrig blieben am Ende zwei, die sich zur Wahl stellen. Der eine ist bereits Dezernent in einer vergleichbar großen Stadt — jung, dynamisch, karrierebewusst, CDU-Mann.
Der andere ist Professor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, ausgewiesener Rechtsexperte. Aber: Er hat vermutlich noch nie an einem Rathausschreibtisch gesessen. Und besonders pikant: Im Disziplinarverfahren gegen Baudezernent Netzel war er als Ermittlungsführer engagiert worden. Dieser Umstand ist für viele im Ratssaal ein „geht gar nicht“.
Für die SPD, die vom Parteienproporz her das Vorschlagsrecht für diesen Posten hat, sind die Kandidaten die Wahl zwischen Pest und Cholera. Man finde keinen „hinreichend geeignet“, heißt es aus der Fraktion.
Gleichwohl müssen sich die Genossen vorhalten lassen, dass sie Zeit genug hatten, einen ihnen genehmen Kandidaten zu finden und zu präsentieren.
Die CDU hält sich offiziell bedeckt. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass sie den Kandidaten mit ihrem Parteibuch favorisiert. In gleicher Weise ist die Bürger-Union dem Rechtsprofessor zugetan.
Die FDP ist noch im „Beratungszustand“, eine Entscheidung soll erst in der Fraktionssitzung am Montag fallen. Die Grünen wollen sich noch mehr Zeit lassen — bis zum Abend vor der Ratssitzung. Richtig glücklich sind sie mit keinem Kandidaten. Das geht auch der Ratinger Linken so.
Dieses Meinungsbild hat jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Wahl: Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhält — also 31. Eine solche Stimmenzahl ist derzeit nicht absehbar.
CDU (18) und FDP (5) kämen zusammen auf 23, die Bürger-Union alleine auf 16 Stimmen. Beide Bewerber müssten also in einen zweiten Wahlgang, bei dem dann die einfache Mehrheit reicht.
Die SPD will beantragen, die Ausschreibung aufzuheben und die Stelle neu ausschreiben zu lassen. Eine Lösung, bei der sich beide Bewerber unbeschadet aus der Affäre ziehen könnten. Der Pferdefuß: Den wichtigen Bereichen Kultur, Personal und Recht fehlt weiter die gestaltende Hand.