Gräber, die keiner mehr will

Ungepflegte letzte Ruhestätten sind ein großes Problem. Immer öfter entzieht die Stadt deshalb das Nutzungsrecht.

Ratingen. „Für immer“, „Geliebt und unvergessen“ — so manche Inschrift auf einem Grabstein klingt nach Ewigkeit, in der Wirklichkeit ist ihre Dauer aber oft sehr beschränkt.

Abbröckelnde Buchstaben, zugewucherte Grabsteine, von Wildwuchs, Laub und Unkraut bedeckte Beete zeugen immer öfter davon, dass die als unvergänglich beschworene Erinnerung an den Verstorbenen schon erloschen ist. „Das ist ein Riesenproblem — und es wird immer größer“, sagt Guido Frohnhof, für Friedhöfe zuständiger Abteilungsleiter der „Kommunalen Dienste“.

Dahinter stecken in der Regel nicht Ignoranz oder Vergesslichkeit, sondern ganz banale Gründe. „Die Angehörigen sind weggezogen oder körperlich nicht mehr in der Lage, das Grab zu pflegen, oder selbst verstorben“, sagt Frohnhoff. Für die Stadt, aber auch die Kirchengemeinden, die Friedhöfe unterhalten, bedeutet das zum einen Detektivarbeit — und Kosten.

Am Grab selbst wird ein Hinweis angebracht, dass es wieder in Ordnung gebracht werden soll. Danach werden im Amtsblatt der Stadt die ungepflegten Grabstätten veröffentlicht und eine Frist gesetzt, nach der das Grab „eingezogen“ wird. Zunächst versucht die Verwaltung, Kinder oder andere Angehörige des Verstorbenen ausfindig zu machen, die das Nutzungsrecht der Ruhestätte übernehmen können.

Lehnen die das ab, entzieht die Stadt das Nutzungsrecht. Das Grab geht wieder in Besitz der Stadt über. Es wird dann komplett abgeräumt — einschließlich Grabstein, Vase und Laterne — und eingeebnet. Frohnhoff: „Wir säen dann nur Rasen ein. Der muss aber mehrmals im Jahr gemäht werden.“

Neu vergeben darf die Stadt die eingezogene Grabstätte aber erst nach Ablauf der Nutzungszeit. Die kann unter Umständen die Ruhefrist noch übersteigen. Auf kommunalen Friedhöfen seien Ruhefristen von 30 Jahren üblich, bei kirchlichen meistens 20 bis 25 Jahren, erklärt Frohnhoff.

Wurde das Grab aber seinerzeit für eine 40-jährige Nutzung gekauft, darf es erst nach Ablauf dieser Frist neu vergeben werden. 40 Jahren — dieser Zeitraum ist heute nicht mehr möglich. Ruhefrist und Nutzungszeit wurden angeglichen und auf maximal 30 Jahre begrenzt.

Wann gilt ein Grab als ungepflegt? Frohnhoff: „Das war früher oft strittig. Inzwischen ist man da toleranter geworden.“ Solange das Nachbargrab nicht beeinträchtigt oder zugewuchert wird, lässt die Stadt auch wachsen, was will. Kein Pardon kennt das Friedhofsamt bei den Grabsteinen: Stehen die nicht mehr stabil, werden sie aus Sicherheitsgründen umgelegt.

Die mehrere tausend Euro teuren Grabsteine werden übrigens nicht abgeschliffen und wiederverwendet. Frohnhoff: „Diese Mühe macht sich keiner mehr. Die Steine werden zerbrochen und entsorgt.“ Apropos Mühe: Früher hätten Angehörige sofort zugesagt, die angesprochenen Mängel zu beseitigen, heute heiße es: „Ich hab’ damit nichts zu tun.“ Dabei sei der Aufwand gar nicht so groß.