Ratingen Edelmetall schreibt Geschichte

Ratingen. · Jeder Schützenkönig ist angehalten, der Bruderschaft eine silberne Plakette zu stiften. Diese sind nicht nur kunstvoll verzierte Zeitzeugen – sie dienten bisweilen auch als Notgroschen. Sie wurden „versilbert“.

Nach Angaben des Ratinger Schützenchefs Gero Keusen wiegt die Königskette etwa 6,5 Kilogramm.

Foto: Achim Blazy (abz)

Als Gesamt-Event ist das Ratinger Schützenfest schon eine prachtvolle Sache. Doch seine einzelnen Zubehör-Teile – von den Blumenhörnern bis zu manchem alten Kostüm – sind letztlich ganz besonders und vor allem gut in Ruhe zu betrachten. In diesem Jahr zum Beispiel, in dem es ein weltweites Virus, aber keine örtliche Brauchtumsfeier im August gab, hat man im Museum Ratingen die Gelegenheit, die ausgestellten Schilde des Schützensilbers zu betrachten.

In der stadtgeschichtlichen Ausstellung sind die wertvollsten, die ältesten Stücke zu sehen, die normalerweise beim Umzug nicht mehr durch die Stadt geschleppt werden. Die kostbaren Teile sind grundsätzlich als stolzer Schmuck beim Schützenfest unterwegs, sie wurden in den vergangenen Jahrhunderten zum Teil aber auch „versilbert“, das heißt, eingeschmolzen und zu feinen Geschenken verarbeitet. Zum Beispiel wurden sie für ein Weihrauch-Schiffchen oder ein Vortragekreuz für die Kirche umgeformt.

Plaketten sind ganzjährig im Ratinger Museum zu sehen

Auch die Plaketten, die bei einem eher kleinen Schützenkönig übers Pflaster scheppern würden, sind abgebaut worden und sind nun ganzjährig im Museum zu bewundern. Ob Schützen nun eine krawallige Bande waren oder Muttis liebste Helfer, liegt für manches Jahrhundert eher im Nebel. Ursprünglich jedenfalls taten sie als wohltätige Gemeinschaft mächtig Gutes. Sie unterstützten Witwen und Waisen und sprangen ein, wenn zum Beispiel Ärzte und Medizin bezahlt werden mussten. Dann wiederum konnte man im Notfall auch noch auf die silbernen Platten zurückgreifen.

Auch die Mösch, die zur Ankündigung des Festes in gesundheitlich ungefährlichen Zeiten durch die Stadt getragen wird, ist eine silberne Zweitnutzung. Allerdings gab es bei den Sebastianern schwarze Schafe – vielleicht auch nur eins – denn Anfang des 19. Jahrhunderts verschwanden einmal auf einen Schlag 26 Platten. Da hat dann jemand Gutes im Stillen getan.

Immerhin zählen die künstlerisch wertvoll gefertigten Arbeiten aus der Zeit von 1728 bis ins 19. Jahrhundert (außer erhaltenen oder renovierten Häusern) zu den Zeitzeugen, die tatsächlich greifbar Historie in unsere Zeit holen.

Die wirklich alten Platten sind leicht gewölbt und Schilden nachempfunden, die zur Waffenabwehr dienten. Auf dem Spiegel in der Mitte prangt oft ein Familienwappen, sei es alt oder frisch kreiert. Rundum ranken sich, meist asymmetrisch angeordnet, Muschel- und Blätterwerk.

Blätterwerk gibt Hinweise
auf die Silberschmiede

Das Muschel- und Blätterwerk demonstriert nicht nur Bürgerstolz, Kreativität, handwerkliche Kunst und beachtlichen Einfallsreichtum. Man kann nämlich bei einigen auf die Silberschmiede Rückschlüsse ziehen. So lassen sich an den Meisterzeichen die Goldschmiede identifizieren, am „Lötigkeitszeichen“ der Feingehalt des Silbers ablesen. Dazu kommen die Beschauzeichen – dies ist die offizielle Bestätigung, dass ein städtischer Beschaumeister den Feingehalt des Silbers überprüft hat.

Schon seit 1600 nachweisbar, wurde in Ratingen der Schütze, der den Vogel, damals auch Papagei genannt, abgeschossen hatte, mit dem Silberschmuck kenntlich gemacht. Der Schützenkönig wiederum war ab dieser Zeit gehalten, dem Silberschatz der Bruderschaft eine neue Platte hinzuzufügen. Und es wurde verbal ganz schön aufgetrumpft: „Der Broder, so die Pagey abschießen thuet, solle der Broderschaft auf dem darauf nächstfolgenen Brodertag die schuldige sylberne Plath alsofort ahnschaffen, widrigenfalls mit der wirklichen Exekution wider denselben verfahren werden solle.“ Ob das je geschah, ist nicht zu ermitteln. Klar ist aber, dass am Sebastianustag die vorhandenen Platten des Königssilbers dem jeweiligen Ratinger Brudermeister vorgezählt werden mussten.

Es gibt im alten Silber zum Beispiel eine anonyme Platte aus 1804, auf der unter anderem steht: „Es Lebe der König, wer zu unser scheib will König sein das sol und kann kein Knauser sein.“

(Gabriele Hannen)