Nuhr war mal wieder hinter der Linse
Der Kabarettist hat sich wieder einmal als Fotograf in der Welt umgetan. Seine Werke sind ab morgen im Stadtmuseum in Ratingen zu sehen.
Bin ich noch hier oder stehe ich in diesem exotischen Teppichladen? Das wird sich manch einer fragen, wenn er zur Ausstellungseröffnung morgen vor besagtem Teppichladen-Foto des Wahl-Ratingers Dieter Nuhr steht. Weil die Bilder diesmal so ganz anders sind als jene Hochglanz-Exponate, mit denen der Kabarettist 2010 als Fotograf im Museum Ratingen debütierte.
Jetzt sind sie matt, stumpf, auf Leinwand gezogen, wirken tiefer, mehrdimensionaler. Diesem Sog ins Bild, ins Motiv hinein kann man sich kaum entziehen. Genau darauf spekulieren Fotograf und Museum natürlich.
Will heißen: Wen der Name Nuhr nicht zwingend ins Museum zieht, für den gibt es an der Grabenstraße dennoch etwas zu sehen. Keine launigen Schnappschüsse eines reiselustigen Kabarettisten, sondern sorgsam erspähte, Ernsthaftigkeit beanspruchende Stillleben aus dem — diesmal städtischen — Alltag so unterschiedlicher Länder wie Irland und Island, die Ukraine und Aserbaidschan, Äthiopien und Indien, dem Libanon, der Schweiz und anderen mehr.
Der Betrachter schaut in rumpelige Wohnungen und sortiert Gegenstände und Strukturen, entdeckt hier plötzlich ein Gesicht in einem kleinen Spiegel und dort zwei Plastikflaschen in einem Mauerwinkel, in dem man eigentlich ein Heiligenbildchen oder sonstige Devotionalien vermutet hätte. Ein paar Bilder weiter verengt sich der fotografische Fokus auf ein scheinbar zum Greifen nahes, ärmliches Stück Stoff und ein eisernes Bügeleisen. Gibt es ein banaleres Motiv? Und trotzdem schaut und schaut man auf die in mehreren Bildern variierte Komposition und kann sich kaum sattsehen.
Wer sich erst einmal ganz grundsätzlich fragt, wie der Kabarettist Nuhr zur Fotografie gekommen ist: Er studierte Geschichte und Bildende Kunst an der ehemaligen Essener Folkwang-Schule, malte neben seiner Bühnen- und Fernsehkarriere treu und entdeckte schließlich die Fotografie für sich, zunächst in Form von Lichtmalerei.
Er baute Spiegelreflex- zu Lochbildkameras um, wollte dann aber doch die Objekte sichtbar machen, wofür er Linsen benötigte. Von da an fotografierte er wirklich, betont aber stets, dass seine Fotos auch malerisch gemeint seien, mit besonderer Akzentuierung von Linien und Farbflächen. Menschen sieht man daher kaum auf seinen Bildern. Sie würden bloß ablenken von der Ästhetik der Farben und Linien, die noch die kargste Behausung zu bieten hat.
Eine Klinkerwand, ein grobes Rohr mit Halterung, ein Kunststoffkasten mit Kabel — aber alles so vom Alltag angeordnet, dass Form-Spiegelungen entstehen.
Am ersten Ausstellungswochenende findet in Düsseldorf übrigens parallel das „Duesseldorf Photo Weekend“ statt. Ratingen hat es mit der Nuhr-Ausstellung praktischerweise ins dazugehörige Programm-Faltblatt geschafft.