Polizei klärt Schüler anhand tragischer Unfälle auf: „Die Autobahn war voller Blut“
Polizisten, Retter und Opfer wollen Schüler mit Geschichten und Bildern tragischer Unfälle sensibilisieren.
Ratingen. Knapp 1000 Schüler des Ratinger Berufskollegs sind in der Dumeklemmerhalle: Es ist mucksmäuschenstill — keine Juxerei, keine Zwischenrufe, kein Gekicher, keine coolen Sprüche. Ab und zu geht ein Raunen oder verhaltenes Stöhnen durch den Saal. Es war keine Action-Diashow, die am Dienstag gezeigt wurde, und keine Gruselgeschichte: Es war der alltägliche Horror, der sich im Straßenverkehr abspielt. „Realität erfahren. Echt hart“, so der Untertitel der Veranstaltung „Crash Kurs“, mit der sich die Polizei kreisweit an Schüler ab 17 Jahren richtet und Betroffenheit und Nachdenken auslösen will.
Was die Schüler in einer Stunde zu sehen und hören bekommen, sind die Geschichten von realen Unfällen. Ein Verkehrspolizist, ein Rettungsassistent, ein Notfallseelsorger und ein Unfallopfer schildern ihre Erlebnisse und Gefühle, die unter die Haut gehen.
Da war der junge Mann aus Erkrath, dessen Auto wegen Alkohol und überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Laternenmast geschleudert war — 200 Meter vom Elternhaus entfernt, erinnert sich Polizist Dennis Paffrath, der damals als Erster am Unfallort war. Seine Kollegin habe von außen dem schwerst verletzten Fahrer noch eine Weile den Kopf gehalten, am Ende konnte er nur tot aus dem Wrack geborgen werden — das Genick war gebrochen.
Als Rettungsassistent Christian Schulz (29) von einem Unfall auf der A 44 bei Velbert berichtet und auf der Leinwand Bilder vom Einsatz gezeigt werden, entfährt etlichen Jugendlichen ein „Oh Gott“ oder Stöhnen. Der Beifahrer (17) sei aus dem Fenster geflogen, der Fahrer eingeklemmt gewesen. „Trümmerbrüche beider Beine, Arme mehrfach gebrochen, Leber und Lunge gerissen. Die Autobahn war voller Blut“ — bei der Aufzählung der Verletzungen wird es unruhig im Saal. „Zu hohe Geschwindigkeit“, nennt Schulz als Unfallursache.
Einigen wird übel, der „Crash Kurs“ wird für Minuten unterbrochen. Die Jugendlichen stehen vor der Stadthalle und diskutieren. „Wir setzen bei diesem Konzept auf Emotionen und Betroffenheit, um zum Nachdenken anzuregen“, sagt Bernd Hildebrand, Leiter der Unfallprävention bei der Kreispolizei. Er hat die Veranstaltung in Ratingen, eine der größten landesweit, organisiert.
Den Umgang mit dem Horror aus einer anderen Perspektive schildert nach der Unterbrechung Notfallseelsorger Jürgen Draht. Er betreut seit 15 Jahren Einsatzkräfte und Unfallopfer. Das Allerschlimmste aber sei, Eltern die Nachricht vom Tod ihrer Kinder überbringen zu müssen. „Hat er noch etwas gesagt?“, sei die am häufigsten gestellte Frage.
Dann erzählt Benjamin Höfler von seinem Motorradunfall vor 14 Jahren. Seitdem sitzt er im Rollstuhl. „Es kann immer und überall passieren“, sagt er.
„Da kommt man schon ins Grübeln“, sagt Führerscheinneuling Robin (18) später. „Abschreckend“ empfinden Maja und Sabrina (17) die Bilder und Erzählungen. Erik (22) gibt zu, „sehr nachdenklich“ geworden zu sein. „Das ist eine sehr gute Aktion“, sagt Petra Bosch, Lehrerin am Berufskolleg. Das Thema werde jetzt noch nachbereitet.