Posse um „200 000-Euro-Acker“
Die Spielfläche im Ratinger Stadion wurde vor wenigen Monaten für viel Geld erneuert. Das Geläuf ist allerdings durch die vielen nassen Tage und Trainingseinheiten völlig zerstört. Schuld an dem Fiasko will keiner sein. Der Leidtragende ist der Sport.
Ratingen. Die Pfützen sind einige Quadratmeter groß, einzelne Grashalme ragen aus dem Wasser. Überall Matsch und Schlamm — mit Rasen hat das wenig zu tun. Blöd nur, dass nicht die Rede von irgendeinem Acker auf irgendeinem Bauernhof ist, sondern vom nagelneuen Fußball-Platz im Ratinger Stadion. Von dem Fußballplatz, der im vergangenen Jahr für 200 000 Euro erneuert und monatelang für den Sportbetrieb gesperrt wurde. Und von dem Fußballplatz, auf dem aktuell keine Fußballspiele möglich sind, weil das Geläuf nach nur wenigen Monaten in einem derart bedauernswerten Zustand ist, dass das Stadion nun komplett gesperrt wurde. Für wie lange? Weiß keiner. Schon in der vergangenen Woche wurde das Spiel des Fußball-Oberligisten Ratingen 04/19 gegen Cronenberg bereits fünf Tage vorher abgesagt. Nun fällt auch die Partie gegen Velbert, das Sonntag ausgetragen werden soll, im Stadion aus. Wie konnte es dazu kommen, dass ein nagelneuer Rasen nach nur wenigen Monaten aussieht wie ein Kartoffelfeld?
Uwe Puzalowski, stellvertretender Leiter des Grünflächenamts
Eine erste Nachfrage führt zum Grünflächenamt, das neuerdings zum Amt „kommunale Dienste“ gehört. Dessen Chef, Manfred Fiene, fühlt sich für den Stadionrasen nicht zuständig und verweist an seinen Stellvertreter Uwe Puzalowski. Der räumt ein, den Rasen „selten selber zu sehen“, Entscheidungen über den Zustand der Spielfläche treffe der Experte vor Ort, Vorarbeiter Frank Senf. Offenbar machen sich die Rasenhüter nun selber ein Bild von den Zuständen im Stadion.
Und dann überschlagen sich die Ereignisse. War ursprünglich noch vereinbart, dass sich Grünflächenamt, Sportamt und der Klub heute noch einmal treffen, um über eine endgültige Absage zu entscheiden, erreicht die Beteiligten nichtmal eine Stunde nach dem Gespräch mit dem Amt eine Mail des Amtes: Das Spiel wird definitiv nicht im Stadion stattfinden. „Der Rasen sieht nicht gut aus“, sagt Puzalowski, und erklärt: „Im Winter wächst der Rasen nicht, er ruht nur.
Weil keine Rasenheizung eingebaut ist, kann er sich also auch nicht regenerieren. Es hätte eigentlich gar nicht drauf trainiert werden dürfen, wurde es aber.“ Wer dies erlaubt hat? „Wir jedenfalls nicht“, sagt Puzalowski.
Die Kommunikationswege in Sachen Stadion- und Platznutzung sind tatsächlich ein wenig kompliziert und wirken wie das „Stille-Post-Prinzip“: Vom Sportamt wird den Vereinen mitgeteilt, welche Spielstätten in welchem Umfang zur Verfügung stehen. „Doch wir sperren einen Platz nur, wenn wir dies vorher vom Grünflächenamt mitgeteilt bekommen“, sagt Amtsleiter Jörg Arndt. Heißt: Wenn die Vereine nichts hören, bedeutet das, der Platz ist frei. „Und so haben wir natürlich auch auf dem Rasen trainiert“, sagt Jens Stieghorst, Vorsitzender von Ratingen 04/19. „Dabei hat unser Trainer fast täglich auf den Platzwart eingeredet, dass der Rasen ein wenig mehr Pflege braucht. Wir haben, um den Rasen zu schonen, schon extra häufig im Sportpark trainiert und all unsere Testspiele dort ausgetragen.“ Der Verein ist entsetzt über die Absage und die mögliche lange Sperre des Rasens. „Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir in der Vorbereitung vollständig im Sportpark trainiert“, betont Stieghorst.
Uwe Puzalowski
Und als der Regen einsetzte, wurde, so der Vorsitzende, sofort an den Götschenbeck ausgewichen. Zu spät, offensichtlich. Kritik am neuen, teuren Rasen ist indes nicht neu. Seit Anfang an wirkt der Untergrund ungewohnt holprig, schon direkt nach Fertigstellung wurde einiges bemängelt und nachgebessert. Immerhin scheint die Drainage zu funktionieren — einige Stunden nach Entstehen des Fotos zu diesem Artikel waren die Pfützen weitgehend verschwunden. Bespielbar war der Rasen damit aber noch lange nicht.
Immerhin ist der Schaden laut Puzalowski zu reparieren. „Wir müssen auf ein paar trockene Tage warten, dann können wir den Rasen aerifizieren.“ Dabei werden Löcher in den Untergrund gestochen, wodurch die Wurzeln wieder atmen können. In späteren Schritten wird gedüngt, vertikutiert und verdichtet. Wann wieder im Stadion gespielt werden kann, weiß keiner.
Und so gibt es am Ende nur Verlierer: Die Stadt Ratingen, die 200.000 Euro für einen besseren Kartoffelacker ausgegeben hat — und der Verein, der schon wieder auf Kunstrasen ausweichen muss. Und die zuständigen Ämter, die sich die Frage stellen müssen, ob man dieses Rasen-Desaster vielleicht mit ein wenig mehr Aufmerksamkeit für das Grün hätte verhindern können.