Verdi-Requiem — die Stadthalle platzte aus allen Nähten
Viel Jubel für Orchester, Chor und Solisten — Konzertmeister behielt den Überblick.
Ratingen. Sechs Minuten und 25,39 Sekunden dauert der Applaus nach der letzten Note. In ihm stecken gleich mehrere Verbeugungen des Publikums: Die vor den rund 70 Sängerinnen und Sängern des Konzertchors Ratingen ebenso wie die vor dem 2014 gegründeten Orchester Sinfonietta Ratingen; die vier Solisten und schließlich der Mann am Pult, Thomas Gabrisch, bekommen ebenso reichlich Bravo!
Das Requiem von Giuseppe Verdi, aufgeführt am Samstagabend in der Stadthalle, braucht sie alle, Musiker, Solisten, Chor — vor allem aber die ordnende Hand. Gabrisch leitet den Chor und schuf die Sinfonietta. Er fügt auf der mit mehr als 100 Personen und Instrumenten bis auf den letzten Quadratzentimeter belegten Bühne die Elemente seiner Arbeit aus den vergangenen Jahren zusammen.
Denn dafür steht Verdis Requiem: Solo-Partien und Chor sind fein miteinander verwoben, der Sprung von Piano zu Forte in Musik mit dem alles andere als verhaltenen Bläsereinsatz malt ein ganz großes Bild. Mit diesem Requiem wird eine jahrhundertealte kirchliche Form —die Totenmesse — weltlich. Der Komponist nimmt Ausführende und Zuhörer bei der Hand und schaut auf das Unvermeidliche. Im Alter von 27 Jahren hat Giuseppe Verdi seine Frau und seine Kinder sterben gesehen. Deshalb ist da nichts Tröstliches, schreibt Thomas Gabrisch im Programmheft über das Werk. Im Dies irae, dem zweiten Satz, entsteht über 40 Minuten hinweg ein Klanggemälde von der Angst des Sterbenden. In aller Distanz zur Religion — von kirchlicher Tröstung: keine Spur.
Das siebenteilige Requiem entstand in zwei Anläufen. Zum Tode von Gioachino Rossini im Jahr 1868 bat Verdi zwölf italienische Komponisten um eine „Messa per Rossini“ eine Totenmesse. Er kreierte den Schlusssatz „Libera me“ — befreie mich! Doch die zwölf Künstler kamen nicht zusammen. Fünf Jahre später starb der Verdi sehr nahestehende Dichter Alessandro Manzoni — Verdi vollendete das Requiem.
Es auf die Bühne zu bringen, bedeutet einen enormen Kraftakt. Zumal in Ratingen in allerletzter Minute die Sopranistin Netta Or und Bassist Wilhelm Schwinghammer als Solisten krankheitsbedingt ausfielen. Sopranistin Natalie Karl übernahm mit Bravour, Bass Roman Astakhov übernahm routiniert.
Chor und Orchester haben mittlerweile Dank der Arbeit Gabrischs eine herausragende Perfektion erreicht. Gebraucht hätte es eine größere Halle — das Requiem ruft förmlich nach einem Mehr an Raum und Luft.
Zudem war die Klimatisierung in der Stadthalle derart gedrosselt, dass der Sauerstoff richtiggehend knapp wurde und in der Pause die Tür eines Notausgangs geöffnet werden musste.