Wie aus Müll Weihnachtsschmuck wird
Klimaschutz fängt im Kleinen an: Das machen die Liebfrauenschüler mit einer besonderen Aktion vor.
Ratingen. Welcher Schüler träumte nicht klammheimlich davon, sein Mathebuch in Fetzen reißen zu dürfen, wenn die Erklärungen zur Infinitesimalrechnung schier unentschlüsselbar schienen? Für die Liebfrauenschüler blieb es nicht bloß beim Traum, unter Anleitung von Maria Mund-Marek basteln Siebtklässlerinnen wie Hanna (11) und Anna aus zu filigranen Papierstreifen zerschnittenen Lehrsätzen und Übungsaufgaben niedliche Engel.
„Was sonst in den Müll gehört, ist für uns kreatives Material“, beschreibt Anna (12) die Herkunft der Werkstoffe, mit denen sie und ihre Freundinnen arbeiten. „Es macht Spaß aus dem, was eigentlich schon ausrangiert ist, noch was Schönes zu machen“, pflichtet Ana (13) bei. Während andere also ihre Kaffeekapseln nach Gebrauch im Eimer versenken, sind die Mädchen ganz wild auf derlei Dinge. „Da lassen sich ganz tolle Sachen draus machen“, zum Beispiel der Körper einer Weihnachtsfigur oder eine Lichterkette. Aus Papier, das eigentlich für die Blaue Tonne bestimmt ist, werden Sterne, Herzen oder Lampenschirme. „Das allerdings dauert dann seine Zeit“, weiß Maria Mund-Marek.
Sie ist die Lehrerin und hat die kunstvolle Müll-Recycling-Idee als Unterrichtsbeitrag für den Textilunterricht an die katholische Realschule an der Schwarzbachstraße gebracht. „Ich kann ganz schlecht etwas wegwerfen“, sagt sie.
Vor ungefähr drei Jahren begann sie, Dinge, die andere in die Tonne werfen, einer neuen Verwendung zuzufühen. Aus Fahrradschläuchen wurden coole Taschen, und als die Katholiken dann ihre neuen Gotteslob-Ausgaben bekamen und die so nachaktuell gewordenen alten Gebet- und Gesangbücher aussortiert wurden, dachte sie sich: „Es kann doch nicht sein, dass sich daraus nichts anderes machen lässt.“
Die Mathebücher — übrigens auch nicht vor Wut zerrissen, sondern ebenfalls überholte und entsorgte Lehrbücher — waren eine logische Konsequenz der Upcycling-Idee. Aber auch ausgemusterte Tisch- oder Bettwäsche, die nicht mehr passende Jeans und nichtsnutzig herumliegende Stoffreste inspirieren die gelernte Schneidermeisterin, die als Quereinsteigerin den Weg in die Pädagogik fand. „Letztlich lässt sich alles herrichten“, ein paar neue Kniffe musste mit harter Fadenspannung und ungewöhnlichen Nadeln ihre Nähmaschine dafür erlernen. Sie selbst „braucht die Abwechslung, mir ist das sonst zu langweilig“.
Ihren Schülern will sie neben den handwerklichen und kreativen Fähigkeiten nebenbei vermitteln, dass nicht alles, was benutzt ist, zwangläufig entsorgt werden muss. „Vielleicht ist das ein kleiner Beitrag zum persönlichen Klimaschutz“, sagt sie. Sich nämlich Materialien anzuschauen, nicht wegzuwerfen und über weitere Verwendungsmöglichkeiten nachzudenken. Die Schülerinnen jedenfalls sind „begeistert“, wie Noemi (12), Ana und Anna bestätigen. „Und manchmal gehen wir auch mit einem Sack voll Zeug ins Seniorenheim“, um dort mit alten Leuten zu basteln. Einmal in der Woche besuchen die Schülerinnen Menschen im Marienhof, werkeln, reden „und lachen ganz viel“. „Es ist schön, über das gemeinsame Arbeiten Kontakte zu anderen zu knüpfen“, sagt Maria Mund-Marek. Und denkt über weitere Möglichkeiten nach. „Was sich wohl aus Schuhen machen lässt“, von Stiefeln ließen sich beispielsweise die jeweiligen Schafte zu etwas anderem neu komponieren. „Das müssen wir ausprobieren.“