Handball Verletzung trübt die Langenfelder Stimmung
Langenfeld. · In der Viertelfinalpartie des DHB-Amateurpokals zwischen der SG Langenfeld und dem TuS Derschlag erwischte Ole Völker seinen Gegenspieler Paul Borisch unglücklich in der Luft. Ein Zuschauer leistete Erste Hilfe, am Abend erfolgte die Entwarnung.
Als die Rheinstürmer in der Halbzeitpause des DHB-Amateurpokal-Viertelfinales ihren großen Auftritt haben, weiß noch niemand in der Halle am Konrad-Adenauer-Gymnasium, wie wichtig die Anwesenheit der Showtanzgruppe noch sein wird. Es läuft die 56. Minute, die Partie zwischen der SG Langenfeld (SGL) und dem TuS Derschlag ist zu diesem Zeitpunkt beim 30:22 schon entschieden, als Gäste-Spieler Paul Borisch in den Sprungwurf geht und von Ole Völker dabei attackiert wird. Es ist ein Foul, allerdings eines, das im Handball in jedem Spiel vorkommt, von vorne mit beiden Händen auf die Brust des Angreifers. Der klatscht aber aus der Höhe unkontrolliert auf den Boden, Völker bekommt eine Zeitstrafe und will sich entschuldigen, doch da wird es schon dramatisch.
Physiotherapeut brüllte Spieler an, um Ohnmacht zu verhindern
TuS-Physiotherapeut Thomas Berscheid ist bei seinem Spieler, der verdreht aber auf dem Boden die Augen, der Kopf rollt nach hinten, Berscheid brüllt ihn noch an, um die Ohnmacht zu verhindern. Auf der Tribüne steht Julian Scheerhans von den Rheinstürmern und erkennt sofort den Ernst der Lage. Er eilt aufs Spielfeld, ruft seinen Kollegen auf der Tribüne zu, sie sollen seinen Rucksack holen – es ist ein Notfall-Rucksack, den der Rettungssanitäter bei Auftritten seiner Gruppe immer dabei hat, und aus dem er eine Halskrause zieht, die er gemeinsam mit Berscheid und SGL-Physiotherapeutin Kim Ohl anlegt. Auf der Bank sitzt Ole Völker, sichtlich geschockt von den Ereignissen, die seine Abwehraktion ausgelöst hat.
Der Notarzt ist verständigt, der Hallensprecher muss noch das Kennzeichen eines Autos durchsagen, das den Notfall-Parkplatz blockiert, wenige Minuten später sind die Ärzte da. Borisch kann aus eigener Kraft auf die Trage, das ist ein gutes Zeichen. Während er ins Krankenhaus gefahren wird, klären die gut befreundeten Trainer Markus Becker (SGL) und Ralph Weinheimer, dass das Spiel nicht fortgesetzt werden müsse. Das Schiedsrichtergespann Stefan Bendel und Paul Schulte-Coerne, das über die gesamte Partie eine hervorragende Leistung geboten hat, rät aber von einem Abbruch ab, da nicht klar sei, was dann passiere – ein Wiederholungsspiel wünscht sich niemand.
Also kommt es zu einer skurrilen Situation, in der beide Teams auf dem Feld stehen, die Partie wieder angepfiffen wird, und der erste Protest der rund 500 Zuschauer über die vermeintliche Fortführung sich in verständnisvolles Klatschen wandelt, als klar wird, dass sich beide Mannschaften den Ball nur noch zupassen, ohne eine Aktion zu starten – die Uhr muss runterlaufen. So endet die Partie, die mit einer Schweigeminute für die Opfer der Attacke von Hanau gestartet war, mit einer weiteren Geste der Solidarität.
Ole Völker entschuldigt sich
am Telefon bei Paul Borisch
Nach diesen Ereignissen fällt es den Langenfeldern natürlich schwer, sich über den 30:22 (16:12)-Erfolg zu freuen, mit dem sie zum zweiten Mal nach 2016 den Sprung zur Finalrunde des Amateurpokals nach Hamburg geschafft haben, als sie den Titel auch gewannen. Sie gehen erst einmal in die Kabine, überbordende Freude kommt auch danach nicht auf. Ole Völker besorgt sich zunächst einmal die Telefonnummer von Borisch, um sich noch einmal bei ihm zu entschuldigen und nach seinem Gesundheitszustand zu fragen. Der SGL-Rückraumspieler antwortet auf die Frage, wie es ihm selbst gehe, mit einem Schulterzucken. „Geht so“, sagt er dann. „Das tut mir so leid für den Jungen, ich wollte ihn ganz sicher nicht verletzen. Ich hoffe, er ist bald wieder fit. Freuen kann ich mich gerade nicht.“
So geht es allen Akteuren, auch dem Sportlichen Leiter der SGL, Dennis Werkmeister, der seinen Urlaub in den Niederlanden einen Tag früher beendet hat, um bei dem Pokal-Karnevalskracher dabei zu sein. Oder Trainer Becker, der berichtet: „Nach der Verletzungssituation waren alle geschockt. Wenn es da die Möglichkeit gegeben hätte, das Spiel abzubrechen, hätten wir es getan. So war es ein Zeichen der Solidarität, dass wir die Uhr haben runterlaufen lassen und erst einmal ohne große Jubelarien in die Kabine gegangen sind.“ Auch die Gedanken von Julian Scheerhans von den Rheinstürmern sind bei Borisch, sein beherztes Eingreifen erklärt er unaufgeregt: „Wir haben immer den Notfall-Rucksack dabei, weil bei den Sprungeinlagen unserer Mädels ja auch immer etwas passieren kann. Bei uns ist zum Glück nichts passiert, aber so konnten wir einem anderen helfen.“ Am Abend gibt es Entwarnung, Borisch hat maximal eine leichte Gehirnerschütterung erlitten und konnte den Heimweg antreten. Erst nach dieser Nachricht kann auch die SGL ihren Einzug ins Halbfinale von Hamburg feiern.