Wülfrath „Berliner Milljöh“ im Awo-Treff lebendig

Wülfrath · Ulla Krah und Wolfgang Eichler trugen Lieder von Volkssängerin Claire Waldoff vor.

 Ulla Krah schlüpfte in die Rolle von Claire Waldoff und entführte mit dem Pianisten Wolfgang Eichler die Besucher des Kulturbistros ins „Berliner Milljöh“ der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Ulla Krah schlüpfte in die Rolle von Claire Waldoff und entführte mit dem Pianisten Wolfgang Eichler die Besucher des Kulturbistros ins „Berliner Milljöh“ der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Foto: Ulrich Bangert

Bei Buletten und Currywurst führte das Kulturbistro von Awo und Zwar in das Berlin der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Im Mittelpunkt der Alt-Berliner Lieder standen die von Claire Waldoff. „Sie gilt als die Berliner Göre schlechthin, dabei wurde sie 1884 als Clara Wortmann in Gelsenkirchen geboren“, belehrte Ulla Krah ihre Zuhörer in dem nach Corona-Regeln fast ausverkauften Saal des Awo-Treffs. Die Wuppertalerin, die in der Nachbarstadt als Sängerin in Klezmergruppen auftritt, begann ihr kurzweiliges Programm mit Berliner Moritaten, die üblicherweise mit einer Drehorgel vorgestellt wurden. Den Leierkasten betätigte die Sängerin nur symbolisch, dafür gab Wolfgang Eichler am Klavier den Ton an.

Claire Waldoff besang das Berliner Volksleben, so wie es der Künstler Heinrich Zille mitunter ziemlich derb in seinen Bildern darstellte. Als der bekannte Zeichner starb, besang die „Volkssängerin“ an dessen Grab das berühmte „Milljöh“. „Viele Sachen der damaligen Zeit kommen in der Fernsehserie ,Berlin-Babylon’ rüber“, findet Ulla Krah. „Die Menschen hatten nicht viel Geld für Vergnügen, man zog in den Grunewald, nahm Speisen und Kaffeepulver mit. Unterwegs gab es Stellen zum Rasten mit dem Hinweis ,Hier können Familien Kaffee kochen’, das gab es auch bei uns rund ums Tal der Wupper“, erinnerte die Waldoff-Interpretin an die Freizeitgestaltung der Arbeiter und Kleinbürger vor rund einem Jahrhundert. Das entsprechende Lied endete mit einem aufmunternden Tipp: „Und ist das Leben noch schwer, nimm einfach eine Bohne mehr!“

Die Texte der Gassenhauer und Chansons, die Claire Waldoff vortrug, wurden von unterschiedlichen Autoren geschrieben, darunter auch jüdischstämmigen. Das missfiel den aufstrebenden Nationalsozialisten, besonders das von Ludwig Mendelsohn verfasste Spottlied „Herman heeßt er“. „Das hat ihr ein Auftrittsverbot eingebracht. Die Nazis sahen darin Anspielungen auf Hermann Göring.“ In auffallend vielen Liedern stellte die unerschrockene Diseuse einen Vergleich zwischen Berlin und Wien dar, in dem immer wieder der „Piefke“ als Synonym für die Preußen auftaucht. „Wissen Sie, woher der Name kommt?“, fragte Ulla Krah in die Runde und schickte sofort die Antwort hinterher: „Das ist tatsächlich der Name eines preußischen Marschkomponisten.“ Viele Lieder der Claire Waldoff, die als eine der ersten Frauen in Deutschland das Abitur machen konnte, drehen sich um die Liebe: „Warum liebt der Wladimir g’rade mir ?“ Dabei machte sich die bekannte Figur der Berliner Kleinkunst in den „goldenen Zwanzigern“ nichts aus Männern, sie lebte in einer lesbischen Beziehung und setzte sich früh für Frauenrechte ein. Am 17. September findet das nächste Kulturbistro im Awo-Treff an der Schulstraße 13 statt. „Die ursprünglich vorgesehene Jazz-Band konnte wegen Corona nicht genug proben, aber es gibt auf jeden Fall Jazz“, ist der Awo-Ortsvereinsvorsitzender Peter Zwilling zuversichtlich und kündigt an, dass am 9. Oktober die Arbeiterwohlfahrt Wülfrath 75-jähriges Bestehen feiert: „Dann gibt es den ganzen Tag Kultur.“