Wann und wie wurde bei Ihnen das Interesse geweckt, künstlerisch aktiv zu werden?
Wülfrath „Sehen, aufnehmen und zulassen“
Wülfrath · Der Wülfrather Claus Klingler erklärt, was das Malen für ihn ausmacht und warum ihn auch die Steinbildhauerei nicht loslässt.
Im Lockdown mangelte es Künstlern an Ausstellungsmöglichkeiten und auch jetzt, wo dieser Austausch zwischen Kreativen und Kunstfreunden wieder möglich ist, kommt der Ausstellungsbetrieb nur langsam in Gang. Die WZ bietet lokalen Künstlerinnen und Künstlern daher weiter mit der Serie „Kreatives Wülfrath“ ein Forum. Heute stellt sich der Wülfrather Maler und Bildhauer Claus Klingler im Interview vor.
Claus Klingler: Mein Großvater war Porzellanmalermeister, mein Vater zwar im Hauptberuf Buchhalter, doch auch Musiker und Maler. Er spielte Geige und malte Portraits sowie Landschaften, hauptsächlich mit Ölfarben, aber auch Eitempera und Kreide. Ich wuchs mit dem Geruch von Terpentin und dem Geräusch des schabenden Borstenpinsels über Pressholz oder Leinwand auf. Ich sah zu, wie mein Vater Malgründe anrührte oder Bilderrahmen mit Knochenleim zusammenfügte. So gesehen war er mein erster Lehrer. Dennoch brauchte es fast 25 Jahre, bis ich mich selber in diesem Medium versuchte.
Wie verlief Ihr künstlerischer Werdegang?
Klingler: Ich arbeitete als Chemotechniker in einem Forschungslabor eines großen Chemieunternehmens und spürte eine Unzufriedenheit, so als würde etwas fehlen. Dieses Gefühl wurde noch verstärkt durch vermehrte Fahrten nach Paris, wo es mich durch die Museen zog. Außerdem las ich Biographien einzelner Künstler. So eröffnete sich mir eine Welt, die neu und aufregend war. Den Surrealisten um Max Ernst und Yves Tanguy und deren Arbeiten schenkte ich besondere Aufmerksamkeit. Und ich begann zu malen. Erste Zeichnungen mit Farb- und Kohlestiften entstanden. Es folgten Ölbilder und sie alle waren Schrott. An schulischen Maluntericht erinnert, wurde mir klar, dass Malen wollen nicht funktioniert. Mit Abstand, aus heutiger Sicht hat Malen für mich etwas mit Sehen, Aufnehmen, aber vor allem mit Zulassen zu tun, dem ein Verdichtungs- vielleicht auch Wandlungsprozess folgt, der sich dann wieder in Form des malerischen Gestaltens einen Weg nach Außen auf die Leinwand oder das Papier bahnt. So sehe ich das heute. Damals war es für mich ein steiniger, mühevoller Weg.
Wer hat ihnen geholfen, diesen steinigen Weg nicht zu verlassen?
Klingler: Hilfreich begleitet wurde dieser Prozess durch den Austausch in einer Wuppertaler Künstlergrupe um die Maler Rainer Milsch, Dirk Schäfer und den Fotografen und Filmer Karl Heinz Steckelings. Dieser kollegiale und freundschaftliche Austausch mit Dirk Schäfer hat auch heute noch Bestand. Zu dieser Zeit, etwa 1974 lernte ich auch den Philosophen, Schriftsteller und Maler Friedrich Könekamp kennen, der als politisch Verfolgter 1933 vor den Nationalsozialisten fliehen musste und nun wieder nach Deutschland zurückgekehrte war. Mit dem bereits 77-Jährigen erlebte ich bis zu seinem Tod 1977 eine lebendige, wenn auch oftmals heftige inhaltliche Auseinandersetzung, wenn ich mit meinen Arbeiten nach Neuwied fuhr, wo Könekamp damals lebte. Die Begegung mit ihm hat sicherlich auch dazu begetragen, dass ich meinen Beruf aufgab und in den psychosozialen Bereich wechselte. Ich fand eine Anstellung bei einem kirchlichen Träger in einer postklinischen Einrichtung für psychisch kranke Erwachsene. Berufsbegleitend machte ich eine Ausbildung zum klinischen Kunsttherapeuten, die ich nach neun Jahren als graduiertes Mitglied beider Verbände DGKT und DFKGT und einer heilkundlichen Zulassung abschloss. Mit dem beruflichen Wechsel schließt sich für mich der Kreis von Beruf und Berufung.
Wann haben Sie das erste Mal ausgestellt?
Klingler: Der erste Ausstellung hatte ich 1977 in der Orangerie in Düsseldorf Benrath. Dieser sind viele weitere gefolgt. Herausheben möchte ich jedoch ein anderes „Zufallserlebnis“. Meine Frau Elke, die im gleichen Bereich beschäftigt war, buchte während einer Fortbildung in Körpertherapie ein 14-tägiges Seminar in Steinbildhauerei in der Schweiz an der Scuola di Scultura in Peccia/Tessin. Ich hatte die Möglichkeit mitzukommen. Es war eine Offenbarung für mich. Einen Stein im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen und zu bearbeiten, war unglaublich intensiv. Es führte dazu, dass wir zwölf Jahre mindestens einmal im Jahr ein Atelier in der Schweiz hatten und uns in der Steinbearbeitung weiterentwickelten. Nicht nur das: Die Erfahrung in einer Gruppe von Menschen mit unterschiedlichem Alter, Beruf und sozialer Herkunft, die als gemeinsamen Nenner die Bildhauerei für sich entdeckten, ließ in Elke und mir die Idee des Offenen Ateliers wachsen. Ein Ort an unserem Arbeitsplatz der allen zur Verfügung steht. Egal ob gesund oder krank, alt oder jung, reich oder arm, verbindend ist die Kunst und im Willen künstlerisch tätig zu sein sind sie gleich und verbunden. Dieses Offene Atelier gibt es seit 1996 bei der Bergischen Diakonie, feiert dieses Jahr also sein 25-jähriges Bestehen.
Woran arbeiten Sie gerade?
Klingler: Seit 2012 arbeiten Elke und ich in unserem Atelier auf dem Lappenhof in Langenberg. Zur Zeit arbeite ich an dem Thema „Vergessene Orte“. Ich mache Fotos von Orten, die einmal belebt waren, dann aufgegeben und von der Natur zurückerobert wurden. Gestalterisch gebe ich mir bei der Umsetzung des Themas alle Freiheiten. Da gibt es zum Beispiel ein Freibad bei Altenahr, wo nur noch die Startblöcke überwuchert darauf hinweisen, was hier einmal war. Wenn man die aktuelle Flutsituation hinzuzieht, dann wird auch das verschwunden sein. Und so male ich es dann auch, sich auflösende Landschaften, kaum Erkennbares und doch das Gefühl da ist doch was.