Das Publikum stimmt mit Bier ab
War der Vorleser oder der Text besser? Diese Frage galt es für die Zuhörer in Evis Bistro zu beantworten.
Wülfrath. Eigentlich ist Jan Schmidt ein Poetry Slammer (Poesie-Wettstreiter) und hat sich mit seinen Auftritten längst einen Namen in der Szene gemacht. Auch in Evi’s Bistro in seiner Heimatstadt Wülfrath liest er regelmäßig. Nun hat er die Idee einer neuen Veranstaltungsreihe mitgebracht: Lesen für Bier. „Das kommt ursprünglich aus Erlangen“, verrät Jan, der sich klar zum „Spaß an der Sprache“ bekennt. Mit dieser Idee rannte er bei Eveline Gebauer offene Türen ein, die die Bistro-Räume für alle Arten von Veranstaltungen gerne zur Verfügung stellt. „Wir möchten Abwechslung haben“, sagt sie. Das Prinzip von „Lesen für Bier“ funktioniert so, dass die Besucher irgendwelche Texte mitbringen, die von den Akteuren vorgelesen werden müssen. Von Rechnung bis Bedienungsanleitung ist alles erlaubt. Danach entscheidet der Applaus des Publikums, ob ihm der Vortrag oder der Text besser gefallen hat. War es die Interpretation, so erhält der Vorleser ein Bier, war es der Text, so erhält der Besucher, der den Text mitgebracht hat, ein Bier.
In der Tat ist Wülfrath der zweite Austragungsort des Veranstaltungsformates „Lesen für Bier“ in ganz Nordrhein-Westfalen überhaupt. Damit Jan Schmidt bei der Auftaktveranstaltung in Evi’s Bistro nicht ganz allein vor dem Publikum stehen musste, hatte er sich mit August Klar aus Paderborn lesekräftige Verstärkung mitgebracht.
„August ist eines dieser schrecklichen Multitalente“, stellte Jan seinen Kollegen vor, „er kann einfach alles. Musik, Beatboxen und Poetry Slam.“ Und das stellte der Paderborner auch gleich unter Beweis, denn zur Einstimmung auf den Abend hatte er einen eigenen Text mitgebracht, den er zunächst mit einem Beatbox-Solo einleitete, das das Publikum erst in fasziniertes Staunen versetzte und dann in Begeisterungsrufe ausbrechen ließ. Der Text handelte davon, wie cool Beatboxen ist, denn „es hilft bei den Frauen“ und wenn August mal wieder mit dem Fahrrad nicht durch die Menge kommt. „Dann schalte ich meine Sirene ein“, erzählt er und demonstriert auch sofort ein markerschütterndes Martinshorn. Nach dieser launigen Einleitung wurde es ernst für Jan Schmidt und August Klar, denn nun hatten sie die Herausforderung angenommen, von Besuchern mitgebrachte Texte zu performen, Texte, die sie zuvor noch nie gesehen hatten.
Marila Schumacher, Gast
August zog für seinen Kollegen ein Buch über Massagen mit heißen Steinen aus der Wunderkiste. Auf der durch einen Zettel markierten Seite ging es um eine Beinmassage und da August kurze Hosen anhatte, fiel er Jans Demonstrationen zum Opfer. Aus Mangel an heißen Steinen nutzte Jan Schmidt einen Flaschenöffner zur Massage. Am Ende konnte seine Interpretation des Textes die Besucher überzeugen, so dass der rauschende Beifall ihm ein Bier bescherte. Anders ging es da August Klar, der die schwierige Aufgabe hatte, ein in Ruhrpott-Dialekt geschriebenes Essay von Elke Heidenreich vorzulesen, in dem sie sich über die Unsinnigkeit von Wintersport auslässt.
Der Applaus des Publikums zeigte, dass die Besucher den Text besser fanden als die Interpretation, was der Besitzerin des Buches ein Bier einbrachte. Ein wenig schlüpfrig ging es bei der Geschichte „Der unbekannte Geruch“ von Max Gold zu, bei dem Jan die Eltern wunderbar zum Leben erweckte, die peinlich berührt reagierten, als sie nach dem Pilz gefragt wurden, der „spermatisch“ riecht. Ein Bier für Jan. Das nächste Bier ging an August, dessen Performance eines französischen Textes kein Auge trocken ließ.
„Man hat richtig Spaß“, erklärt Bettina Maria Exner und auch Marila Schumacher ist begeistert. „Das ist mal etwas ganz anderes.“ Sie habe sich köstlich amüsiert. „Es ist ganz schön mutig, so etwas vorzutragen.“ Die Idee findet sie toll. „Und die Atmosphäre ist sehr angenehm.“