Dem VdK gehen die Mitglieder aus
Der Ortsverband Neviges hat nur noch 203 Mitglieder und ist überaltert. Viele nutzen den Verein nur noch als einen Dienstleister.
Neviges. Friedemann Winter schaut in seinem VdK-Ortsverband Jahr für Jahr in bekannte Gesichter. Der Vorsitzende muss feststellen: „Unsere Mitglieder sind durchschnittlich 65 Jahre alt. Ein Drittel ist älter als 80.“ Da kaum junge Mitglieder nachrücken, schaut er in den nächsten Jahren einem natürlichen Schrumpfen der Gruppe entgegen, die bislang auf dem Papier noch 203 Menschen zählt. Die zweite Vorsitzende Marlies Amann schätzt: „In fünf bis zehn Jahren lohnt sich nur noch eine Fusion.“
Doch wenn aus den Ortsverbänden Neviges, Langenberg und Mitte eine Einheit wird, könnte das nachteilig für die älteren Nevigeser werden. Derzeit berät Friedemann Winter Mitglieder noch gerne vor Ort. „Bei einer Fusion ist die Nahversorgung nicht mehr gewährleistet. Die Menschen müssten nach Velbert-Mitte oder Mettmann fahren“, sagt der Vorsitzende.
Die Gründe für den Mitgliederrückgang sind vielfältig. Einen Faktor sieht Winter in dem Rückzug ins Private. „Das ist ein allgemeiner Trend, den wir auch in anderen Vereinen sehen“, sagt er. Die Gruppe der Aktiven in der Stadt werde immer kleiner.
Besonders ärgerlich sind für Friedemann Winter aber die Austritte nach kurzer Mitgliedschaft. „Der Dienstleistungsgedanke steht im Vordergrund, das stört mich etwas“, sagt er. Der Sozialverband berät etwa Kranke, die Probleme mit ihren Sozialversicherungen haben oder die darum kämpfen, ihre Schwerbehinderung anerkannt zu bekommen. Viele würden eintreten, sich helfen lassen — und dann wieder austreten.
„Das ist das Problem, den Leuten fehlt die Bindung“, sagt der Vorsitzende. Die wurde vor Jahrzehnten, als der Ortsverband Neviges noch mehr als 400 Mitglieder hatte, bei gemeinsamen Fahrten geschaffen. Es gab damals Ferienangebote oder gut besuchte Tagestrips unter der Federführung von Otto Schlecht, der mehr als 50 Jahre das Gesicht des VdK vor Ort war. „Das hat sich total gewandelt. Die Leute wollen so ein Angebot nicht mehr“, berichtet Marlies Amann.
Ein Blick über den Tellerrand zeigt: Der Trend in Neviges ist eigentlich gegenläufig zur Entwicklung im Bund. Nach eigenen Angaben hat der VdK 1,75 Millionen Mitglieder und ist der am stärksten wachsende Sozialverbands Deutschlands. Friedemann Winter weiß, warum: „Immer mehr Leute haben Probleme mit ihrer Sozialversicherung.“
Ursprünglich war das Tagesgeschäft des 1950 gegründeten Vereins ein anderes. Der einstige Name weist darauf hin: Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands. Auch Winters Vater kehrte aus der Kriegsgefangenschaft in Russland zurück und verdankte die nachträgliche Anerkennung seiner Schwerbehinderung dem VdK. Das prägte auch seinen Sohn.
Inzwischen kümmert sich der Verein erneut um Kriegsrückkehrer aus dem Kosovo oder Afghanistan. Heute gehe es bei den sozialrechtlichen Auseinandersetzungen dabei häufig um posttraumatische Belastungsstörungen. Winter: „Das ist eine heiße Sache, weil es schwer nachweisbar ist.“