Die Familie fehlt ihnen am meisten
Die Mitglieder der Jugendhilfegruppe der Bergischen Diakonie feiern Weihnachten ohne ihre Eltern. Ihre Wünsche erstaunen.
Wülfrath. Zu Weihnachten wünschen sich die meisten Kinder und Jugendlichen vor allem eines: möglichst viele Geschenke. In der Jugendhilfegruppe der Bergischen Diakonie verschiebt sich die Gewichtung. Die Kinder und Jugendlichen im Alter von sechs bis 14 Jahren leben in den drei Wohngruppen des Heilpädagogisch-Psychotherapeutischen Zentrums (HPZ), bis zu zehn in einer Gruppe. Sie erleben die Adventszeit wie ihre Altersgenossen auch, aber selten im Beisein von Mutter oder Vater. Wer im HPZ wohnt, kommt aus einer Familie, die aktuell aus den verschiedensten Gründen nicht zusammen funktioniert.
Ihren Alltag begleiten Ärzte, Psychologen und Pädagogen. Die Reihenfolge bestimmt dabei die individuelle Situation der Heranwachsenden. Ihr Tag soll strukturiert sein — und er ist es auch. Die Jugendlichen frühstücken zusammen, gehen auf dem Gelände der Bergischen Diakonie in die Schule, essen zu Mittag und machen ihre Hausaufgaben. Nachmittags gibt es Gruppenangebote wie Ausflüge, Zoobesuche, Fußballspielen oder auch zusammen einkaufen. Letzteres ist sehr beliebt, weil die Bewohner dabei auch einen gewissen Einfluss darauf haben, was auf den Teller kommt, wie die pädagogische Teamleiterin Claudia Roszumek mit einem Augenzwinkern sagt. Das Lieblingsessen? „Kein Gemüse.“
„Die Adventszeit ist emotional geprägt“, weiß Claudia Roszumek von ihren Schützlingen zu berichten. Was bedeutet Weihnachten für Philipp (12)? Plätzchenbacken, eine Familie, die sich zusammen unterhält und — klar, auch Geschenke. Aber die Gewichtung fällt auf. Die Geschenke kommen am Schluss. Der Junge hat in seinem Zimmer die Fenster mit Weihnachtsdeko versehen. Zu sehen sind ein Weihnachtsmann, Schlitten, Schneemann, Rentier und Pinguin.
Caty (11) dazu, wie sie sich das Weihnachtsfest vorstellt
Wieso ein Pinguin? Das Tier ist für ihn ein Synonym für Kälte und Eis. „Schnee mag ich, aber Kälte nicht, weil dann immer meine Hände frieren“, sagt Philipp. Auf Nachfrage fallen ihm dann schon Wünsche ein. Ein topaktueller Kopfhörer wäre ihm lieb, auch Bettwäsche mit Motiven von dem Hollywood-Streifen Jurassic Park und am besten gleich auch ein Film des Dinosaurier-Spektakels. Aber ganz oben steht die gemeinsame Zeit mit der Familie. Was er anderen Kindern zu Weihnachten wünscht? „Viel Glück.“
Jean (13) sagt, dass Weihnachten für ihn Familie bedeutet und der Tag ist, an dem Christi geboren wurde. Er möchte schöne Tage zusammen mit seiner Schwester und seinen Eltern verbringen. „Geschenke sind gar nicht so wichtig“, meint Jean — und wenn man in seine Augen schaut, glaubt man es ihm sofort. Er bastelt in der Schule gerne Weihnachtsschmuck wie Manderlas, Glocken, Schneemänner und vieles mehr. Na ja, und wenn schon ein Wunsch, dann wäre ein Handy cool. Was er anderen Kindern zu Weihnachten wünscht? „Dass sie nicht alleine sind.“
Seine Schwester Caty (11) fasst ihre Vorstellung vom Weihnachtsfest so zusammen: „Mit der Familie zusammen und fröhlich sein.“ Sie hat den Tannenbaum in einem Gemeinschaftsraum geschmückt, das ist ihr sehr gut gelungen. Der Baum ist der Blickfang in diesem Raum — und auch der Adventskalender, der aus Papiertüten besteht, die für jeden Bewohner und auch die Betreuer kleine Überraschungen bereithalten. Caty sagt, dass sie sich nichts Materielles wünscht. Ein Foto, auf dem sie zusammen mit ihrer besten Freundin zu sehen ist, hat sie im vergangenen Jahr geschenkt bekommen.
Jean (13) dazu, was er anderen Kindern zu Weihnachten wünscht
Das ist ihr größter Schatz. Anderen Kindern wünscht sie, dass sie „fröhlich sind und mit anderen Menschen zusammen“. Die Bewohner des HPZ feiern zweimal das Weihnachtsfest. Am vergangenen Donnerstag in ihren Wohngruppen, und morgen bei ihren Familien. Am 19. Dezember hatten die Kinder und Jugendlichen einen tollen Tag. Erst ging es ins Kino, dann gab es Racelette und dann folgte die Bescherung. Aber auch für die Pädagogen und Betreuer gab es eine Überraschung. Ihre Schützlinge übergaben ihnen eine Leinwand, auf der alle Handabdrücke der aktuellen Bewohner verewigt sind. Zudem trugen sie noch das Gedicht „Draußen vom Walde komm ich her“ vor. Und irgendwie waren alle wie eine große Familie zusammen, in dem „Zuhause auf Zeit“, wie es Claudia Rozumek formuliert.