Die Nevigeser mit dem Mittelalterfieber
Die Marktgilde ist zwar ein kleines Grüppchen, stemmt aber jedes Jahr zwei große Events. Die Liebe zum Altertum treibt die Mitglieder an.
Neviges. Am 11. August 2001 begann für Andrea Hofer das Mittelalter. Rein durch Zufall stieß sie mit ihrem Partner Lutz Lembach auf ein mysteriöses Zeltdorf vor dem Schloss Hardenberg . Dort schien die Zeit stehengeblieben zu sein: Gewandete Menschen demonstrierten längst vergessene Handwerkskünste, Gäste tranken aus Lehmkrügen und die einzigen neuzeitliche Gegenstände weit und breit waren die Feuerlöscher.
Noch heute erinnert sich Hofer an ihre spontane Begeisterung: „Das Feuer, die Gerüche und die Musik — ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt.“ 14 Jahre später sind Hofer und Lembach zwei der gerade einmal sieben aktiven Mitglieder des Vereins Marktgilde zu Hardenberg der zwei Mal im Jahr das Mittelalter nach Neviges holt.
Hofer ist für Vertragswesen und Werbung zuständig. Nicht gerade mittelalterliches Handwerk, aber nötiges Übel. Hofer sagt: „Für mich allein bedeuten die Mittelaltermärkte 400 Arbeitsstunden im Jahre.“ Doch die Energie und das finanzielle Risiko investieren die Organisatoren gerne in ihre Leidenschaft.
Es sei jedes Mal das Gleiche: Nach einem Markt wie zuletzt Ende November sage man sich: „Nie wieder!“ Inzwischen hat Andrea Hofer bereits wieder die Flyer für den Sommermarkt fertig. Das Mittelalter lebt immer weiter.
Über die Jahre haben die Veranstalter viel gelernt. Ute Meulenkamp, damals Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderungsgemeinschaft Neviges (WGN), sorgte im Jahr 2000 für den ersten Mittelaltermarkt im Ort. „Ich bin über meinen Sohn an die Mittelaltersache gelangt“, berichtet die Ratsfrau.
Nach Jahren der erfolgreichen Märkte zog sich die WGN 2009 aus Kostengründen aus den Mittelaltermärkten zurück. Ein Scheideweg. „Da haben wir uns dann überlegt: Sollen wird das ganze sterben lassen oder machen wir weiter?“, erinnert sich Meulenkamp.
Die kleine Organisatoren-Gruppe entschied sich für Letzteres und gründete die Marktgilde. „Nur den finanziellen Background trauten wir uns nicht zu“, sagt Hofer. So kam es, dass ein größerer Veranstalter ab 2010 mit im Boot war, der sogar eine Turnierbahn bei den Märkten aufbauen ließ. Das Problem: Diese Attraktion zog das Publikum regelmäßig von dem eigentlichen Markt weg, was wiederrum die Händler verärgerte.
Inzwischen schultert die Marktgilde zu Hardenberg die Events wieder ganz alleine. Hofer: „Seitdem ging es wieder zurück zu den Wurzeln. Keine Bühne, kein Turnierbetrieb, mehr für Kinder. Dadurch konnten wir auch den Eintrittspreis von zwölf auf sechs Euro reduzieren.“
Wichtig ist der Marktgilde die gute Mischung. „Wir wollen keine 15 Schmuckstände“, sagt Hofer. Zudem sei es am schönsten, wenn hauptsächlich Lagerleute vor Ort sind, denen die Besucher auch Fragen stellen könnten über die Hintergründe, etwa von fast vergessenen Handwerkskünsten wie zum Beispiel dem Brettchenweben.
Dass zwischen den Zelten alles akkurat zugeht und historisch korrekt ist, auch darauf legt die Marktgilde besonders Wert. Dadurch wird es auch mal umständlich. Das kochen nach mittelalterlichen Regeln dauert eben ziemlich lange und die Lust auf Schokolade muss bis nach dem Markt warten. Andrea Hofer hat für sich festgestellt: „Da weiß man dann den modernen Alltag wieder richtig zu schätzen.“