Ein Zucker-Topf rettet ihm im Arbeitslager das Leben
Israel Yaoz berichtete Wülfrather Schülern von seiner Lebensgeschichte.
Seit inzwischen 55 Jahren arbeitet Israel Yaoz als Fremdenführer in Israel. Oft begleitet er deutsche Gruppen. „Anfangs habe ich oft gestottert“, inzwischen kommen ihm die Erklärungen und Anekdoten ebenso flüssig über die Lippen wie auf Englisch, Französisch oder Holländisch. „Wir haben als Überlebende ein Vermächtnis, eine Aufgabe.“ Als Zeitzeuge zu berichten und dabei so etwas wie ein Brückenbauer zu sein.
Gestern Vormittag besuchte er die Mensa des Wülfrather Gymnasiums, um den Schülern an einigen Episoden seines Lebens teilhaben zu lassen. Nüchtern, teilweise selbstironisch („Der Staat Israel ist natürlich nicht nach mir benannt worden“) und mit Blick für die wesentlichen Details berichtet der bald 87-Jährige. „Ich habe nicht bloß ein Mal, sondern unzählige Male in meinem Leben Glück gehabt.“
1928 in Gelsenkirchen als ältestes von fünf Geschwistern geboren, überlebte er als einziger der Familie den Holocaust. Er und seine Schwester Recha konnten 1939 nach Amsterdam fliehen. Dort war er unter anderem mit der Familie Frank befreundet. „Anne habe ich persönlich gekannt.“
Israel Yaoz
Recha und Israel kamen in Pflegefamilien. „Bis 1941 hatte ich gelegentlichen Briefkontakt zu meiner Mutter.“ Die Eltern waren mit den anderen drei Geschwistern in Gelsenkirchen geblieben. Dass der Vater nach seiner Deportation ins Konzentrationslager Oranienburg tot war, erfuhr die Mutter, als ein Päckchen für sie ankam. „Sieben Mark Porto musste sie dafür bezahlen. ‚Bitte, das ist die Asche ihres Mannes!’“, sagte der Postbote.
Schwester Recha wurde in Sobibor ermordet, er selbst kam nach Bergen-Belsen. Zwölf Stunden am Tag wurde „sinnfreie Arbeit“ verrichtet, „einfach bloß als Schikane ebenso wie drei bis vier Stunden in Eiseskälte beim Appell zu stehen“. Mehrfach erkrankte Yaoz an Typhus, wie alle anderen litt er unvorstellbaren Hunger. In der Lagerküche der SS gelang es ihm, einen Krug Zucker zu klauen. Dass er bis zur Befreiung durch die britische Armee jeden Tag einen Löffel Zucker essen konnte, hat ihm „das Leben gerettet“.
Über Amsterdam, wo er das Abitur absolvierte, ging der 19-Jährige in den zwei Monate alten Neu-Staat Israel. Er kam zum Militär, lebte in einem Kibbuz und erlernte einen handwerklichen Beruf. „Das habe ich so schlecht gemacht, dass mir mein Meister empfahl, mir einen anderen Job zu suchen.“
Wie er seine Frau Sylvia kennengelernt habe, lautete eine der Schülerfragen, wie er Reiseleiter wurde und wie es für ihn ist, auf Deutsche, vor allem auf Deutsche seines Alters, zu treffen. „Eine ausgestreckte Hand soll man nicht so ohne Weiteres ausschlagen.“ Nicht alle Geschichten habe er bei seinem Mensa-Besuch den Gymnasiasten erzählen können. „Besucht mich in Israel!“