Eine Insel der Ruhe: Leben in Lintorfs ältestem Haus

Die Familie Fleermann wohnt in vierter Generation in der restaurierten Helpensteinmühle.

Ratingen. Wenn Bastian Fleermann aus den Fenstern seiner Wohnung im ersten Stock blickt, dann schaut er auf Gebäude mit jahrhundertealter Geschichte. Der 30-jährige Historiker wohnt nämlich seit 2006 wieder auf dem familieneigenen, altehrwürdigen Anwesen, dessen Prunkstücke, neben den Stallungen und Arbeitsgebäuden, die Helpensteinmühle, der Taubenturm und ein altes Fachwerkhaus sind, das 1789 in typisch niederbergischem Stil angebaut wurde.

Der Taubenturm aus dem 13.Jahrhundert ist das Wahrzeichen des Gutes und das älteste Gebäude Lintorfs, dessen Namensgeber, die Tauben, früher die Freiheit des Hofes nach außen symbolisieren sollten. Im Jahre 1914 übernahm Fleermanns Urgroßvater Johann das heruntergekommene Gut, das mittlerweile in der vierten Generation im Familienbesitz ist. "Ich habe meine Kindheit hier verbracht und hatte ein sehr enges Verhältnis zu meinem Großvater", sagt Fleermann und fügt hinzu: "Vielleicht bin ich deshalb so geschichtsinteressiert - nicht nur, was unser Anwesen betrifft."

Das Geschichtsinteresse des gebürtigen Ratingers geht so weit, dass er 2007 ein Buch über die Helpensteinmühle schrieb. Sie wurde in Eigenregie der Familie 1998/99 komplett restauriert und könnte, so sagt Fleermann, "innerhalb von zwei Stunden wieder ihrer Arbeit nachgehen". Ob Mühlstein, Mühlrad oder die Werkzeuge - innerhalb der Mühle, die zwischen 1100 und 1150 erbaut wurde, befinden sich noch zahlreiche Originalteile. Sie wurden in liebevoller Kleinarbeit wieder auf Vordermann gebracht.

Der Dickelsbach, der friedlich parallel zum Anwesen vor sich hin plätschert, könnte die Wassermühle jederzeit antreiben, doch mittlerweile wird das Gebäude für Führungen und als kleines Museum genutzt. Zahlreiche Bilder von Fleermanns Vorfahren zieren die Wände.

Gegenüber der Mühle befindet sich das Fachwerkhaus, in dem derzeit Thomas Pützer (49) mit seiner Familie wohnt. Das handwerkliche Multitalent kümmert sich seit über 30 Jahren um die Instandhaltung des Gutes. Fleermann: "Er gehört fast zur Familie." Dahinter befindet sich die moderne Mühle, die Hafer für rund 3000 Pferde aus der Umgebung verarbeitet. Bis zu den 1960er Jahren waren dort noch Stallungen und alte Getreidesilos.

Das Backhaus, in dem Bastian Fleermann eine 70 Quadratmeter große Wohnung bewohnt, ist gleich an der neuen Mühle angebaut. Bis auf das hölzerne, alte Treppenhaus und die Bodenkacheln in der Küche erinnert hier jedoch nicht mehr viel an die Vergangenheit als ehemalige Knechtwohnung.

"Es ist trotzdem ein ganz besonderes Wohnen hier. Vor allem, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit und Familientradition hier dranhängen", sagt Fleermann und blickt aus dem Küchenfenster auf die beiden 600 Jahre alten Stauteiche, die sich hinter dem Denkmal-Ensemble befinden. Gleich am Ufer der Teiche wurden in den 1970er Jahren die beiden Häuser seiner übrigen Familie gebaut. Dort leben Vater, Mutter, Schwester und Großmutter.

Insgesamt wohnen nun sieben Personen auf dem Gut. Das Einkommen stammt aus der Landwirtschaft und dem Gartenfachmarkt, den die Familie vor dem Anwesen führt. Nach und nach wurden an das Denkmal immer wieder neue Gebäude angegliedert - natürlich gemäß der Denkmalauflagen. "Es ist eben ein stetiger Wandel hier", sagt Fleermann, der sich besonders freut, wenn gegen Abend das Tor des Anwesens geschlossen wird. "Dann ist es hier wie auf einer abgeschiedenen Insel der Ruhe."