Filetieren geht über Studieren

Im Sternerestaurant der Stembergs macht sich die Scheu der jungen Leute vor dem Handwerk bemerkbar.

Foto: Simone Bahrmann

Neviges. Man stelle sich vor, es ist Tag der offenen Tür — und niemand kommt. So lief es gestern im Haus Stemberg an der Kuhlendahler Straße. Eigentlich bot sich beim bundesweiten „Tag der offenen Tür in deutschen Spitzenrestaurants“ die einmalige Gelegenheit für junge Leute einmal Sternekoch Sascha Stemberg auf die Finger zu schauen und Fragen zum Ausbildungsberuf Koch zu stellen.

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Keine Resonanz. Lediglich für Samstag hatte sich in letzter Minute doch noch ein Interessent gemeldet. Seniorchef Walter Stemberg wundert das nicht, er hat den Trend erkannt: „Die jungen Leute wollen alle lieber studieren.“ Und in ein paar Jahren könne man sich dann am Flughafen aussuchen, ob man lieber den BWL-Studenten oder den Geisteswissenschaftler als Taxifahrer hätte, sagt Stemberg.

„Keiner will mehr Handwerk machen, dabei ist das der goldene Boden“, ärgert sich der Profi. Die Jugend sehe vor allem die Nachteile: Arbeit am Wochenende, Stress zu den Stoßzeiten. Doch sie würden die positiven Aspekte ausblenden.

Von denen können die zahlreichen Azubis des Hauses berichten. An der Kuhlendahler Straße wird seit 41 Jahren in der Küche und im Service ausgebildet. Unter den 22 Angestellten meistern acht Azubis den Alltag im Sternerestaurant.

Marie Braun (19) ist Köchin im ersten Lehrjahr und zaubert bereits ausgefallen Dessert-Kreationen, die auf den Tischen des Hauses ein absoluter Hingucker sind. „Ich kann bestätigen, dass man hier sofort ins kalte Wasser geworfen wird. Aber das ist sehr gut“, sagt die junge Velberterin. Das hat System. Stemberg: „Wir wollen den jungen Leuten möglichst schnell Verantwortung übertragen. Klar, geht dann auch mal etwas daneben, aber das gehört dazu.“

Dass sie dann arbeiten muss, wenn andere ausgehen, stört Marie Braun nicht. „Ich habe dann eben am Donnerstag und Freitag Wochenende“, sagt sie. Stemberg glaubt auch, dass viele Jugendliche die Arbeitszeiten des Kochs in einem viel zu negativen Licht betrachten. „Im Sommer zum Beispiel ist das doch super, wenn man eine lange Mittagspause hat. Da gehen viele dann einfach ins Freibad“, berichtet er.

Erik Ohl ist mit 16 Jahren der jüngste Azubi in der Küche — eingeschüchtert ist er deshalb nicht. „Man lernt hier super viel dazu“, sagt er. Das liegt wohl auch an dem besonderen Konzept von Walter und Sascha Stemberg: zwei Küchen von einem Herd. Die Velberter bieten ihren Gästen die bodenständige, regionale Küche ebenso wie die exklusiveren Speisen, die der Kunde im Sternerestaurant erwartet. Dadurch erlernen die Azubis die gesamte Bandbreite von der deftigen Graupensuppe bis zur Hummerschaumsuppe für den anspruchsvolleren Gaumen.

Nach den drei Ausbildungsjahren gibt es bei Stembergs eine klare Zielrichtung: Ihr müsst raus in die Welt! Für einen Koch sei es schließlich wichtig, an verschiedenen Orten, am besten international, seine Erfahrungen zu sammeln. Eintrittskarte dafür sind oftmals die guten Kontakte der Stembergs zu den Sternekoch-Kollegen in Aus- und Inland.

Ein spannender Weg, der aber offenbar immer weniger junge Leute reizt. Im Haus Stemberg liegen für das kommende Ausbildungsjahre erst zwei Bewerbungen auf dem Tisch. „Um diese Zeit hatte ich noch vor einigen Jahren schon zehn Bewerbungen“, erinnert sich Walter Stemberg. Vielleicht kommt ja nach Samstag noch die ein oder andere Bewerbung dazu. Dann öffnet sich noch einmal von 10 bis 11 Uhr und 14.30 Uhr bis 15.30 Uhr die Küche für alle, die mit Leidenschaft kochen. Das sei laut Stemberg die wichtigste Grundvoraussetzung für die Ausbildung. „Das Handwerk bringen wir dann schon bei.“