Imposanter Blick ins Kalkwerk
Dem Besucher eröffnet sich auf dem Gelände in Flandersbach eine eigene Welt.
Wülfrath. Exkursionen ins Kalkwerk Flandersbach sind für Laien eine Rarität und finden etwa drei Mal im Jahr statt. Anders sieht es für Prominente aus. Für den König der Belgier öffneten sich rasch die Tore. Für Philippe, seit 2013 oberster Repräsentant seines Landes, bestand beim Besuch im März (wie für alle) Helmpflicht.
Bei der obligatorischen Sprengung krachte es ordentlich und 6000 Tonnen Stein lösten sich von den Wänden. Der König nahm es gelassen. Vor Ort war er, weil 1997 die belgische Firma Lhoist die Kalksteinwerke übernommen hat.
Bernd Becks, Leiter der Führungen durchs Kalkwerk
Gewöhnlich läuft die Tour ganz anders. Zur Einkleidung geht es ins Paul-Ludowigs-Haus, von dort per Bus in den Steinbruch Rohdenhaus. Wer rein möchte, muss durch eine Schranke. Früher düste man hier einfach durch, weiß Bernd Becks. Der Chemiker war 25 Jahre Leiter der Qualitätsüberwachung bei Rheinkalk. Seitdem er in Pension ist, leitet er die Führungen und beantwortet die Fragen. Täglich müssen in Flandersbach um die 30 000 Tonnen Kalkstein gefördert werden, um wirtschaftlich zu arbeiten.
Jenseits der Zahlen und Fakten liefert die Tour imposante Eindrücke. Manche aufgefüllte Grube bietet ein tolles Panorama: ein riesiger Krater inmitten der grünen Hügellandschaft, an den Hängen Rampen und Wirtschaftswege, im Tal ein überdachtes Förderband.
„Der Kalkstein, den wir hier abbauen, ist vor 330 bis 390 Millionen Jahren entstanden“, erklärt Becks. Damals lag das Bergische Land noch auf dem Grund des Ozeans, wo sich die Überreste von Korallen und Muscheln ansammelten.
Ins Herz des Tagebaus geht es vorbei am Tunnel, der Rohdenhaus mit dem neuen Steinbruch Silberberg verbindet, durch Engstellen bis zur Kippstation der Brechanlage. Gewaltige Maschinen fahren vorbei. Die „Skw“ sind Muldenkipper, sechs Meter hoch und 1000 PS stark.
Mit jeder Fuhre laden sie 100 Tonnen Kalkstein in der Brechanlage ab. Rollt mindere Qualität an, muss gewartet werden, bis qualitativ Hochwertigeres kommt. In der Brechanlage wird das Gestein auf Korngrößen zwischen 0 und 200 Millimeter zerkleinert und zur Wäscherei gebracht.
Der Besichtigungsparcours führt mit dem Bus vom Steinbruch zur Verarbeitungsanlage. Der gebrochene und gewaschene Kalk muss zunächst klassiert werden, und dann, je nach Korngröße, entweder im Schachtofen (70 bis 120 Millimeter) oder im Drehrohrofen (15 bis 45 Millimeter) gebrannt werden. Vor allem Letztere sind mit ihren 4,40 Meter dicken, 90 Meter langen, liegenden Röhren beeindruckend. Zwei von vieren sind in Betrieb und drehen sich, was einer Tagesleistung von 2400 Tonnen Branntkalk entspricht.
Dieser wird zu Produkten wie Kalksteinmehl, Hydratkalk oder Kalkmilch weiterverarbeitet. Abnehmer sind Eisen- und Stahlindustrie, chemische Industrie und Bauwirtschaft. Auch in der Umwelttechnik wird Kalk verwendet, weil er schadstoffbindende Eigenschaften hat. Allein 2000 Tonnen gehen täglich in den Tagebau Garzweiler II, wo er unter den Abraum gemischt wird, um sauren Böden vorzubeugen. Der Rest geht in die ganze Welt.
Auch ein Ex-Steinbruch wie Prangenhaus steht im Blickpunkt. Türkisblaues Wasser glitzert, der 65 Meter tiefe See dient als Sedimentationsbecken.
Das Waschwasser aus der Kalkwäsche wird „geklärt“, indem Sand und Lehm zu Boden sinken. Außerdem haben sich mehrere Uhu-Paare hier häuslich eingerichtet. Noch bis 2048 soll in Flandersberg Kalk abgebaut werden. Dann ist die Grube 140 Meter tiefer.