Interview mit Bürgermeisterin Claudia Panke Flüchtlinge, City, Schulen, Zeittunnel — was kommt auf die Stadt zu?
Bürgermeisterin Panke wagte mit der WZ den Blick ins Jahr 2020.
Frau Panke, kaum ein Thema beschäftigt die Menschen derzeit so, wie die Unterbringung von Flüchtlingen. Mit welchen Fragestellungen wird sich Wülfrath 2020 auseinandersetzen?
Claudia Panke: Das wird noch sehr spannend. Ich denke nicht, dass der Flüchtlingsstrom abreißen wird. Gleichzeitig können die Zahlen auch unmöglich weiter in dem Maße nach oben gehen, wie in diesem Jahr, das wäre nicht zu stemmen. Die Frage ist ja, wo bleiben die Menschen, wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen? Ich glaube, viele wird es in Ballungsgebiete, wie das Ruhrgebiet oder Berlin ziehen.
Nehmen wir an, einige Migranten bleiben auch in Wülfrath. Wie schaffen wir es in Zukunft besser, diese Menschen in unser Leben zu integrieren?
Panke: Zur Integration gehören natürlich immer beide Seiten dazu. Wenn der Wille da ist, ist die Sprache das A und O. Da sind wir dann bei den Kindergärten und Schulen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Schülerzahlen wegen der Flüchtlingskinder steigen — aber auch weil unsere Maßnahmen in Bezug auf den demografischen Wandel ziehen — dann ist das Land in der Pflicht, unsere Schulen mit ausreichend Lehrern auszustatten. Jetzt schon fallen ja wegen des Personalmangels immer wieder Stunden aus.
Welche Rolle spielt das Ehrenamt?
Panke: Das Ehrenamt ist stark in Wülfrath und das müssen wir als Stadt auch unterstützen. Es muss auf jeden Fall ein Zusammenspiel von Ehrenamt und Verwaltung geben. Und wir dürfen uns dabei nicht nur auf die Kinder konzentrieren. Auch die Eltern müssen integriert werden.
Sehen Sie in der Stadt noch Potenzial für sozialen Wohnraum?
Panke: Für sozialen Wohnraum: Nein. Wir haben im Umkreis bereits das niedrigste Mietniveau. Aber für bezahlbaren Wohnraum haben wir noch Potenzial, da bieten sich also schon Möglichkeiten.
Wo ist noch Platz dafür?
Panke: Zum Beispiel an der Schillerstraße/Havemannstraße/Halfmannstraße und an der Goethestraße, beim ehemaligen Bunkerareal. Wir müssen den Wohnraum verdichten, aber ohne Ghettoisierung.
Bis 2020 wird sich in der Innenstadt mit dem Mehrgenerationenspielplatz und dem Diek-Umbau viel getan haben. Wie entwickelt sich die City anschließend weiter?
Panke: Am oberen Ende der Wilhelmstraße, am Wareplatz, wartet noch eine Herausforderung. Dass die Volkshochschule dort wegziehen wird, ist ja kein Geheimnis mehr. Dann stellt sich die Frage, was kommt da hin? Gibt es einen neuen Ankermieter? Oder schafft man dort mehr Platz für die Kinderbetreuung? An dieser Stelle darf es keine Denkverbote geben. Die großen Investitionen in die City werden wir 2020 aber hinter uns haben.
Wohin verschiebt sich dann das Augenmerk?
Panke: Dann kommen die Stadtteile. Da wird aber sich nicht erst 2020 einiges tun. Es ist ja unser Ziel, möglichst viele junge Familien zum Beispiel auch nach Rohdenhaus zu holen, so dass sich vielleicht sogar irgendwann die Frage stellt, ob sich da nicht wieder eine Schule rechnet. Aber wir müssen uns auch die anderen Stadtteile wie Düssel, Flandersbach und Schlupkothen ansehen.
Wie kann man den abgelegeneren Stadtteilen helfen?
Panke: Ganz wichtig ist zum Beispiel die gute Anbindung durch den ÖPNV. Das Thema Bürgerbus darf man nicht ad acta legen.
Wie sehen Sie die Entwicklung in der Ellenbeek? Wie kriegt der Stadtteil die Kurve?
Panke: Es kommen schon große Herausforderungen auf die Ellenbeek zu, die ja ein sehr heterogener Stadtteil ist. Ich könnte mir als Lösungsansatz gut so etwas wie eine weitere Perspektivenwerkstatt vorstellen, wo sich Bürger, Verwaltung und Experten zusammen an den Tisch setzen.
Aus den Fraktionen hört man immer wieder den Ruf nach interkommunaler Zusammenarbeit. Können Sie sich das für Wülfrath, etwa bei der Müllabfuhr, auch vorstellen?
Panke: Warum nicht? Auch Bäder könnten ein Thema sein, oder man kann auch einmal ganz groß denken und über eine Zusammenarbeit beim Thema Breitband nachdenken. Es darf weder für interkommunale Zusammenarbeit noch gegebenenfalls für eine Rekommunalisierung Denkverbote geben. Allerdings müssen wir immer sehen, dass wir bei einer Zusammenarbeit in der Regel der kleinere Partner sind.
Einige können sich auch generell eine schlankere Verwaltung vorstellen. . .
Panke: Also große Würfe wie in der Vergangenheit sehe ich nicht mehr. Da gibt es höchstens noch feine Stellschrauben, an denen gedreht werden kann. Zudem kommen ja auch wieder neue Aufgaben auf uns zu, wie zum Beispiel die Flüchtlinge. Fest steht aber, dass wir mit der Verwaltung vor einem Wandel stehen.
Inwiefern?
Panke: Uns steht ein großer Generationenumbruch bevor. Alleine in diesem Jahr sind zwei Dezernenten gegangen. In den nächsten Jahren erreichen viele andere Mitarbeiter das Renteneintrittsalter. Wir müssen darauf achten, dass wir bei diesem Prozess auch unsere Erfahrung sichern.
Wird der Zeittunnel 2020 noch geöffnet sein?
Panke: Das hoffe ich. Meine Wunschvorstellung ist auch, dass wir irgendwann einmal die sogenannte „große Lösung“ mit Kalkmuseum umsetzen. Dafür hoffe ich aus Unterstützung aus der Industrie. Und auch wenn jetzt aus der Förderung nichts geworden ist, wünsche ich mir bis 2020 auch eine Attraktivierung des Außenbereichs.
Würden Sie in fünf Jahren lieber sagen können „Wir haben den ausgeglichenen Haushalt geschafft“ oder „Das war ein Jahr, in dem wir viel Geld in die Zukunft investiert haben“?
Panke: Ich würde gerne beides schaffen. Klar ist aber, dass wir keine neuen Schulden anhäufen dürfen. Ich kann nicht in die Zukunft investieren, wenn ich keine Handlungsfreiheit mehr habe.
Was sind Ihre Wünsche für den Wirtschaftsstandort Wülfrath?
Panke: Ein Wort: Flächen. Die sind das A und O. Ich kann nur etwas entwickeln, wenn ich auch die Flächen habe. Da hat Wülfrath vor 40 Jahren, als wir noch ein starker Wirtschaftsstandort waren, versäumt, genügend Raum vorzuhalten. Jetzt fehlt uns auch das Geld, denn interessante Flächen sind teilweise in Privatbesitz. Ein weiterer Wunsch wäre übrigens, dass bis 2020 der A44-Lückenschluss fertig wird. (lacht)
Wo wir bei Bauprojekten sind. Glauben Sie an die Vision vom neuen „Park Aprath“?
Panke: Man darf sich auf keinen Fall Visionen verschließen. In der Vergangenheit sind daraus die besten Neuerungen entstanden.
Was prognostizieren Sie für die Schullandschaft? Setzt sich die Sekundarschule durch?
Panke: Wir haben uns zur Sekundarschule bekannt. Wir hoffen jetzt, dass sie einen ähnlich guten Ruf entwickelt, wie ihn unsere Realschule hat. Ich würde mir etwa wünschen, dass man vielleicht den bilingualen Zweig aufgreift, für den unsere Realschule bekannt ist.
Zum Abschluss: Haben Sie einen ganz persönlichen Wunsch für 2020?
Panke: Ja, Gesundheit. Und zwar nicht nur auf mich persönlich bezogen, sondern auch für meine Mitarbeiter und ebenso für unseren Haushalt. Gesundheit ist die Grundlage für alles — ohne die geht nichts mehr.