Großübung: Feuerwehr probt den Ernstfall
Feuerwehr und Hilfsorganisationen aus dem ganzen Kreis führten gemeinsame Großübung durch.
Wülfrath. Um 9.30 Uhr heulten am Samstag die Sirenen in Wülfrath: Chemiealarm auf dem Firmengelände der Firma Farben Jonas:
Das Gelände rund um Diesel- und Kruppstraße ist großräumig abgesperrt, Polizisten lassen niemanden durch. Überall zucken die Blaulichter der Einsatzfahrzeuge, immer wieder sind Sirenen zu hören.
Das Szenario war zum Glück nur eine Großübung, die die Feuerwehren und Hilfsorganisationen des Kreises gemeinsam durchgeführt haben. Ausgangslage war ein fiktiver Unfall, bei dem Phenol, eine hochgiftige Chemikalie, ausgetreten ist.
Zahlreiche Menschen sind verletzt und müssen gerettet, behandelt und in umliegende Krankenhäuser gebracht werden. Insgesamt sind fast 200 Einsatzkräfte mit knapp 60 Fahrzeuge aus dem ganzen Kreis eingebunden.
Ortswechsel: Am städtischen Gymnasium ist ein Betreuungsplatz für die vielen Verletzten eingerichtet worden. Bis zu 500 Personen könnten im Ernstfall jetzt untergebracht und betreut werden. Hier werden sie erstversorgt, und in die umliegenden Krankenhäuser gebracht.
Die Helfer unterscheiden zwischen Schwer-, Mittel- und Leichtverletzten und zeigen das durch rote, gelbe und grüne Karten, die jedem Patienten umgehängt werden, dem Weiterbehandelnden an.
„Ich will aber nicht hierbleiben“, sagt eine junge Frau mit schweren Gesichtsverletzungen. Mit ihrer grauen Decke, die ihr der Sanitäter umgehängt hat, stolpert sie durch das Zelt, kann nicht ruhig sitzen bleiben, zupft unruhig an ihrer grünen Patientenkarte, will unbedingt zu ihrer Freundin.
„Das Wort, das ich heute am meisten gehört habe, heißt ,später’. Keiner sagt einem was“, beschwert sich der Mann neben ihr. Er hat Verbände um Kopf und Hände, schimpft auf die Bürokratie und ruft immer wieder: „Hallo, jetzt bin ich mal dran.“
Ein Sanitäter versucht, ihn zu beruhigen, hat aber wie die vielen anderen Helfer alle Hände voll zu tun, um die noch schwerer Verletzten zu versorgen. Und alles zu dokumentieren, bevor die Opfer mit Rettungswagen zum Krankenhaus gefahren werden können.
Bei der Firma Jonas an der Dieselstraße ist für Außenstehende weiterhin nicht zu erkennen, dass der Großeinsatz nur eine Übung ist. Auch die Einsatzkräfte machen da keinen Unterschied: Unter Atemschutz werden weiter Verletzte geborgen.
„Wir können den nächsten Patienten holen“, heißt es gegen Mittag, obgleich der Notarzt noch mit einem Verletzten beschäftigt ist. Ein offensichtlich verstörter Junge mit Nackenstütze und verbundener Hand wird zum Behandlungsplatz gebracht.
Er ist die Nummer 16, wird dem Fahrer des Rettungswagens übergeben. Blaulicht und Sirene an — und los geht’s in eins der umliegenden Zielkrankenhäuser.
„Es ist wichtig zu wissen, wie Verletzungen aussehen können und wie sich Patienten mit bestimmten Verletzungen verhalten. Damit müssen wir ja vor Ort umgehen können“, erklärt Benjamin Hann, Pressesprecher der Feuerwehr.
Ein Team hat sich darauf spezialisiert, die Hobby-Opfer täuschend echt zu schminken und sie einzuweisen, wie sich Verletzte verhalten. Und so wird auch der unablässig motzende Mann mit dem Kopfverband immer wieder beruhigt.
Was ihn allerdings nicht daran hindert zu schimpfen: „Der war doch viel später hier als ich. Jetzt bin ich aber mal dran“. Am frühen Nachmittag stellte er das Meckern ein: Sein Einsatz war vorbei, er durfte nach Hause.