Hier trafen sich die Wülfrather zum Feiern
Das Steinenhaus an der Schwanenstraße gehörte lange einem alten Müllergeschlecht. Später war es dann unter der Familie Brass als Gaststätte ein beliebter Treffpunkt.
Wülfrath. Bei diesem Denkmal gibt die Bausubstanz den Namen vor. Denn das Steinenhaus an der heutigen Schwanenstraße ist eines der ältesten Häuser, die aus Stein gebaut wurden — die meisten Gebäude bestanden seinerzeit noch aus anderen Naturmaterialien wie Kalk oder Holz. Das Steinenhaus gehörte zur Hofanlage einer alten Müllersfamilie. Die Spuren dieser Familie namens Müllemann lassen sich bis in das Jahr 1322 zurückverfolgen, wie es im Denkmalportal des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) Kuladig heißt. Das Gebäude wurde in Massivbauweise aus Bruchstein errichtet. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts fanden Umbauten statt. Wie es hier einmal ausgesehen hat, beschreibt Helmut Brass junior im Wülfrather Stadtbuch.
Demnach gibt es einen Plan aus dem Jahr 1646, auf dem die Wülfrather Talsohle zu sehen ist — vom Spring bis in etwa zur heutigen Mettmanner Straße. An der Mettmanner Straße, so Axel Welp vom LVR, lag früher eine von zwei Wassermühlen. Der Plan aus dem 17. Jahrhundert zeigt große Wasserflächen in der Talsohle, die das Dorf an der Südseite abschirmten. Außerdem ist dort die ehemalige Wasserburg Wülfrath zu sehen und einige markante Wohnplätze — darunter das Lehngut „Zur Mühlen“. Eine Stammtafel aus der Zeit um 1650 zeigt, dass dies schon seit Jahrhunderten Wohnsitz der Müllemanns-Sippe gewesen sein muss. Das Steinenhaus ist ein Teil des ehemaligen Hofes. Dieser muss auch kräftig über Geld verfügt haben. Axel Welp erklärt, warum: Schon ab dem 12. und bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es vielerorts einen sogenannten Mühlenzwang. Das bedeutete, dass Bauern verpflichtet waren, ihr Getreide bei ganz bestimmten, ausgewählten Mühlen zu mahlen.
Die dortigen Müller profitierten natürlich von diesem Zwang, denn so konnten sie über die Preise bestimmen und hatten kaum Sorge, dass ihnen die Nutzer davonliefen. Häufig waren in solchen Mühlen auch Destillen oder Brennereien mit Ausschank untergebracht. So offenbar auch im Steinenhaus. Ein altes Inventarverzeichnis von 1662 zeigt, dass im Keller Bierkannen, Fässer und Braugeräte gefunden wurden. Außerdem gab es einen unterirdischen Gang, der das Haus mit der Stadtkirche verband — damit sich die Bewohner in Sicherheit bringen konnten. Denn die Kirche galt früher als wichtigster Zufluchtsort.
Im Gründungsjahr der Kalkwerke kaufte Johann Jakob Brass das Steinenhaus mit zugehörigem Grundstück für 50 000 Reichsmark. Zur damaligen Zeit war es, so schreibt es Helmut Brass junior, das einzige Hotel im Ort. Auch einen großen Saal und Gaststättenbetrieb gab es dort. Das Gebäude blieb lange Zeit mit der Familie Brass verbunden — auch wenn sie nicht immer Eigentümer war. Johann Jakob Brass verkaufte das gesamte Anwesen einschließlich Steinenhaus auf dem Sterbebett an die Sparkasse Wülfrath — er wollte seine Familie mit dem Kaufpreis absichern. Seiner Witwe Wilhelmine wurde dabei Pachtfreiheit auf Lebenszeit zugesprochen. Doch die Familie ging durch schwierige Zeiten. Die Inflation zerstörte das Vermögen, wegen eines Umbaus 1928 wurde für Wilhelmine Brass doch noch Pacht fällig. Doch sie führte die Gaststätte 18 Jahre lang weiter. 1946 übergab sie das Geschäft an ihren jüngsten Sohn Helmut. Der kaufte das Steinenhaus zurück, investierte, modernisierte. Im ehemaligen Braukeller wurde der „Altstadtkeller“ eingerichtet.
Das Brauhaus wurde bis 2008 erhalten. Nachdem Helmut „Buddy“ Brass 2002 gestorben war, führte seine Frau Irena das Lokal zunächst weiter. 2008 entschied sie dann aber, zu verkaufen. Die Gaststätte wurde geschlossen. Seitdem praktiziert in den Räumen im Erdgeschoss ein Tierarzt.