Islamischer Verein lehnt Extremisten ab: „Das sind Verbrecher“
In Wülfrath leben 1700 Muslime. Einer von ihnen ist Hayrettin Kahraman, der Vorsitzende des Islamischen Vereins.
Wülfrath. Hayrettin Kahramans Gelassenheit ist ansteckend. Die ruhige Würde, die der 50-jährige Vorsitzende des Islamischen Vereins ausstrahlt, tut gut in unruhigen Zeiten, in denen Terroristen unter dem Deckmantel des Islams morden.
Doch die Ruhe Kahramans wird eingezäunt von klaren Kanten, die der gebürtige Türke nicht scheut. „Das sind Verbrecher, die nichts mit dem Islam zu tun haben.“ Punkt.
Hayrettin Kahraman
Und trotzdem müssen sich auch viele Wülfrather Muslime den Wie-steht-ihr-dazu-Fragen stellen, die sie oft unmissverständlich beantwortet haben, aber doch immer wieder gestellt bekommen.
Am vergangenen Freitag kamen mehr als 200 Gläubige zum abendlichen Freitagsgebet. Viele Diskussionen drehten sich natürlich um die Anschläge in Frankreich, sagt Kahraman. „Es herrscht eine Islamophobie derzeit, damit müssen wir uns auseinandersetzen.“ Kahraman setzt auf Dialog. Nicht als Sonntagsrede, die am Montag schon wieder vergessen ist.
„Wir haben vor 34 Jahren den Islamischen Verein gegründet und seitdem im engen Kontakt mit den Deutschen viele Vertrauen aufgebaut“, sagt Kahraman Der Verein fördert unter anderem deutsche und türkische Jugendliche (siehe Box).
„Wir leben hier mit den Wülfrathern nicht friedlich zusammen. Wir sind Wülfrather, das ist unsere Heimat“, sagt der Vater von vier Töchtern, der 1978 als 14-Jähriger nach Deutschland kam — und „heute nur noch zum Urlaub an die türkische Westküste fährt. „Meine Töchter sind hier geboren, sind deutsch. In der Türkei sind sie heimatlos“, sagt Kahraman.
Er lebt den Dialog schon lange. „Ich habe gute Kontakte zu den christlichen Gemeinden. Ich geh ja selbst manchmal in die Kirche und treffe viele Bekannte und Nachbarn.“
Er wisse um das gewachsene Vertrauen der Wülfrather — bei Christen wie Muslimen. Doch auch er weiß um die veränderten Zeiten. Hassprediger hätten es im Internet sehr leicht, junge Menschen für Irrationales anzusprechen. „Hier müssen wir uns in der Gemeinde und in den Familien um unsere Kinder kümmern.“ Dort lägen oft die Gründe, warum junge Menschen abdrifteten. Der Islam werde da lediglich benutzt. Kahraman setzt auf das Gespräch, das unmittelbare Gespräch, das Menschen näher bringt. Daran glaubt er. Und das stimmt.
Als die Islamische Gemeinde 2001 die Moschee bauen wollte, gab es 80 Anwohner, die protestierten. „Ich sagte, ich baue nur, wenn es keinen Widerstand gibt, und ich will einmal mit den Leuten sprechen.“ Ruhig entkräftete er alle Bedenken. Am Ende zogen 78 ihre Protestunterschrift zurück. Jahre später, als die Moschee lange stand, kam einer der Widerständler zu ihm: „Herr Kahraman, ich bin so froh, dass sie hier mit der Gemeinde sind. Ich war damals so dumm.“