Juwelier — wie Vater und Großvater

Karl Ballauf hat sein Geschäft seit 1957 in Neviges. Damals half ihm sein Tönisheider Platt, um bei älteren Kunden zu punkten.

Foto: Ulrich Bangert

Neviges. Tick, Tick, Tick. Karl Ballauf hört es wohl gar nicht mehr, aber in seinem Laden geben die Uhren hörbar den Rhythmus vor. Dabei scheint gerade hier im Juweliergeschäft zwischen all den Armband- und Wanduhren ein Stückchen die Zeit stehengeblieben zu sein. „Bei mir werden die meisten Spontankäufe durch das Schaufenster entschieden“, sagt der 83-Jährige. Eine Internetseite gibt es nicht. „Wir können uns nur durch Freundlichkeit und persönlichen Service abheben“, glaubt der gebürtige Wülfrather. „Das Internet ist hier für keinen Händler eine Freude.“ Oft werden ihm Uhren zur Reparatur gebracht, die die Kunden in irgendeinem Onlineshop erworben haben.

Serie: Im Herzen

von Neviges

Dass Ballauf einmal Uhrmacher werden und sein eigenes Juwelier-Geschäft haben würde, war von Geburt an vorgezeichnet. Der Großvater war Uhrmacher, der Vater war Uhrmacher, auch der große Bruder wurde Uhrmacher. „Wenn man von klein auf damit zu tun gehabt hat, dann wächst man einfach so hinein“, sagt Karl Ballauf. Einmal habe ihm ein Chef eine Ausbildungsstelle als Optiker angeboten, aber Ballauf wollte nicht. Zu sehr faszinierte ihn die Arbeit mit der feinen Mechanik eines Uhrwerks.

Den Grundstein für die Juwelier-Tradition legte ein erstes Geschäft 1890 in Wülfrath, das später der Vater und schließlich der große Bruder übernahm. Ballauf merkte bald: „Zwei Brüder zusammen im Geschäft. Das bringt auf Dauer nichts.“

Also suchte sich der jüngere Bruder Karl 1957 seinen eigenen Standort. Der Kassierer der Kreishandwerkerschaft habe ihn damals auf Neviges gebracht. Er lockte ihn: „Komm hier runter, hier ist nur ein Juwelier.“

Schnell fasste der Neuling deswegen im Wallfahrtsort Fuß, weil beide Großmütter schon dort gelebt hatten und der Name Ballauf bereits bekannt war. „Wir haben in der Familie Tönisheider Platt gesprochen, das hat mir in Neviges Tür und Tor geöffnet“, erinnert sich der Selbstständige zurück. Gerade die älteren Kunden habe man so leicht für sich gewinnen können.

Heute ist Ballauf längst der Letzte seiner Art in Neviges. Jetzt wünscht er sich fast wieder, dass es noch andere ähnliche Geschäfte im Stadtteil gäbe. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, sagt er. Leichter sei es im Laufe der Jahre nicht geworden. Wie viele andere übt auch Ballauf Kritik an der Entwicklung des Standorts Neviges. „Der Branchenmix stimmt nicht mehr“, sagt er.

Trotz aller Schwierigkeiten, der 83-Jährige steht noch immer gerne im Laden. „Andere arbeiten in meinem Alter gar nicht mehr“, sagt der Senior nicht ohne Stolz. „Ich bin noch gerne hier, sonst würde ich wohl schon zu Hause im Garten liegen.“

Wenn Ballauf einmal seinen Laden schließen sollte, wird die Handwerkstradition nicht aus der Familie verschwinden. Er hat zwei Töchter und einen Sohn. Eine Lehrerin, einen Ingenieur und eine Goldschmiedin. Die Fackel wurde wieder einmal weitergegeben.