Wülfrath/Mettmann Kritische Stimmen in katholischer Kirchengemeinde
Wülfrath · Immer mehr Menschen wenden der katholischen Kirche den Rücken zu, im Austausch suchten Gemeindemitglieder Lösungen.
Wurde die letzte Glaubwürdigkeit verspielt in der katholischen Kirche? Zu diesem Thema hat Monsignore Herbert Ullmann Gemeindemitglieder und weitere Interessenten des Sendungsraums Mettmann/Wülfrath am Mittwochabend in die Kirche St Lambertus auf den Mettmanner Kirchplatz geladen.
Der Bedarf war groß, die 120 zur Verfügung gestellten Plätze allesamt ausgebucht. Markus Königs, Mitglied des Pfarrgemeinderats, fungierte als Moderator. Nach seinem kurzen Grußwort überließ er Monsignore Ullmann das Feld, der sehr persönliche Worte zu der aktuellen Situation in der katholischen Kirche fand.
Pfarrer Ullmann steht
zwischen zwei Stühlen
„Normalerweise ist es kein Problem an dieser Stelle zu stehen und frei zu reden. Heute fällt es mir allerdings schwer“, so Ullmann, der angab zwischen zwei Stühlen zu stehen. „Ich habe gelernt, Verteidiger der Institution Kirche zu sein. Im Laufe der Jahre habe ich aber hinter die Kulissen blicken können und das System ist mir immer mehr zuwider geworden.“ Er selbst hat immer wieder mit Anfeindungen zu tun, selbst die Veranstaltungsankündigung hat für Gegenwind gesorgt. Für Ullmann, der sich nach seiner Ansprache in die Besucherreihen zurückzog, sollte es kein Frage-Antwort-Spiel werden. „Ich möchte nicht für die Institution stehen, sondern heute zuhören.“
Auch die Glocken schwiegen, anlässlich des so bedrückenden Themas, das in den folgenden Stunden für eine Welle an Entrüstung, Enttäuschung und Verzweiflung sorgte. Den Einstieg machte Antje Rauh, die in einem emotionalen Brief zusammenfasste, was in ihr vorgeht. „Kann die römisch-katholische Kirche auch weiterhin meine Glaubensheimat sein?“, fragte sich die Mettmannerin, die auf ganz unterschiedliche Missstände hinwies. Allen voran das Münchener Missbrauchsgutachten, das erst vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Aber auch die Kirche als Männerdomäne, die Ausgrenzung gegenüber Andersdenkenden, die Vorenthaltung der Kommunion für „Nicht-Katholiken“ sowie die Rolle der Frauen in der Kirche wurde von Rauh thematisiert. „Mit dem Münchener Gutachten wurde bei mir jedoch eine rote Linie überschritten, die Zeit des passiven Schweigens muss vorbei sein. Wir müssen hier vor Ort die Ärmel hochkrempeln, so darf es nicht bleiben.“
Nachdem der anhaltende Applaus im Kirchenschiff verklungen war, ging es weiter mit den Wortbeiträgen aus dem Publikum. Kritik hagelte es für die Aussage eines Herren, der die Menschheit und jeden Einzelnen als „kleine Sünderlein“ betitelte. „Ich möchte mich vehement dagegen wehren, als kleines Sünderlein betitelt zu werden. Ich bin in der Gemeinde aufgewachsen, habe mich in ihr engagiert und hier eine Heimat gefunden. Und doch frage ich mich immer öfter, warum ich noch in der Kirche bin. Gerade als Frau ist das eine ernstzunehmende Frage“, formulierte eine Anwesende ihren Unmut.
Schnell wurde deutlich, dass der Frust über die Fehltritte der kirchlichen Obrigkeit tief sitzen, die Nähe zur eigenen Gemeinde und der Wille, dieser treu zu bleiben, aber ungebrochen scheint. „Wir sind neu nach Wülfrath gezogen und fühlen uns in dieser Gemeinde sehr wohl. Schwer wird es jedoch, wenn ich meinen Kindern erklären soll, was eine Beichte ist und dass man nicht lügen soll, zahlreiche Würdenträger der Kirche diesem Ruf aber nicht folgen. Das bringt mich in einen Interessenkonflikt von dem ich nicht weiß, wie ich ihn lösen soll“, so eine weitere Teilnehmerin.
Die weiteren Schritte sind noch ungeklärt, die Zukunft ungewiss
Viel wurde an dem Abend darüber gesprochen, wie es den Menschen der Gemeinde geht, wie schrecklich das Ergebnis das Münchener Gutachtens ist und wie ungewiss die Zukunft scheint. Offen blieb jedoch ein klarer Fahrplan, wie die Gemeinde sich in Zukunft Gehör verschaffen will. „Wir können uns jetzt regelmäßig zum Austausch treffen, Arbeitsgruppen zu speziellen Themen bilden und aktiv weiter an der Sache arbeiten“, schlug ein Gemeindemitglied vor.
Wie regelmäßig solche Treffen jedoch initiiert werden können und was sie letztlich überhaupt bringen, blieb unbeantwortet. „Ich kann fast jeden Wortbeitrag verstehen und nachempfinden“, schloss Pfarrer Ullmann den Abend ab. „Ich nehme alles mit, werde darüber ausgiebig nachdenken und habe in der Zukunft viel zu tun“, ergänzte er. Auch der Pfarrgemeinderat versprach, sich weiter mit der Thematik auseinanderzusetzen und Lösungswege zu finden.