Lindenschüler als Zirkusartisten: Seiltanz statt Sachkunde
Eine Woche lang tauschen die Lindenschüler die Schulbank mit der Zirkus-Manege.
Wülfrath. Lisa kniet sich nieder. Antonia (6) klettert auf die Schultern der Zehnjährigen. Artistin Karola Casselly gibt Hilfestellung. Lisa richtet sich auf, steigt langsam zwei Stufen hoch, tastet sich mit den Füßen vorsichtig vor, zögert kurz, als sie das Stahlseil berührt.
Weiter geht’s. Aufs Seil, das etwa 50 Zentimeter über dem Boden hängt. „Super“, lobt Karola. Lisa lächelt ungläubig. Und Antonia thront sicher oben. „In der Vorstellung ist das Seil noch einen Meter höher“, merkt Karola wie selbstverständlich an.
Trapez statt Turnen, Seiltanz statt Sachkunde, Clownerie statt Deutsch: Die 257 Lindenschüler wechseln in dieser Woche die Schulbank mit der Manege. Im Zirkus von Jonny Casselly und seinen Brüdern trainieren sie für zwei Gala-Vorstellungen am Freitag (17 Uhr) und am Samstag (11 Uhr). Mit Schulbussen werden sie von der Schule zum Sportplatz Schlupkothen gebracht, wo das Zelt steht, das für rund 500 Zuschauer Platz bietet.
Die Plane des Eingangs ist an diesem Dienstagvormittag geschlossen. Das hält die Wärme im Zelt. Direkt dahinter ist Alfons Casselly im Einsatz. Über ihm hängt das Trapez. Darauf sitzt Felina (8). Zum ersten Mal. Sie steht auf, wechselt die Position. Sammy (9), der einzige Junge in der Gruppe, staunt. „Und jetzt wieder elegant hinsetzen“, kommandiert Alfons.
Es riecht nach frischem Streu. Die Temperatur ist angenehm. Der Lautstärkepegel ist recht hoch. Vor allem die acht, neun Clowns mitten in der Manege sind eine erhebliche Lärmquelle. Antonio Casselly ist in seinem Element. Er gestikuliert, führt vor, zeigt, wie man fällt oder andeutungsweise in eine Mülltonne kriecht.
Cedric, Finn und die anderen Jungs hängen dem Zirkus-Experten an den Lippen. Er weiß, wie er seine Schüler unterhält. Und sie machen gut gelaunt mit. Alle strahlen. Betonen die Gesten. Lachen über die Scherze. Und sie verbeugen sich. Das klappt schon gut.
Daneben jongliert Johanna (10) mit Seidentüchern. Konzentriert schaut sie auf die Stoffquadrate. Mit großer Geschwindigkeit dreht neben ihr Florian (10) ein Diabolo, um es im nächsten Moment zwei, drei Meter hoch in Richtung Kuppel zu schleudern. Locker fängt er es wieder auf. „Ich habe so etwas auch zu Hause,“ sagt er erklärend.
Hinter dem Zirkuszelt sind die Stallungen. Vor der Vorführung ist Stallarbeit für die Lindenschüler angesagt. Lamas, Ponys und Ziegen müssen gestriegelt werden. „Echt cool“, ruft Robin (11), während er mit einer Bürste über den Rücken eines kleinen Vierbeiners fährt.
Couscous, das Zirkuskamel, lässt sich von dem Wirbel um ihn herum nicht irritieren, er malmt gemütlich seine letzte Essensration. Ob er an der Show beteiligt sein wird. „Das ist noch nicht klar. Mal sehen, ob es ein Kind gibt, das das Kamel führen kann“, sagt Alfons.
Auf dem Stahlseil steht nun ein Fahrrad, dessen Felgen soeben eine Spur finden. Karola hält es fest. Frei von Scheu steigt Maria (8) auf, tritt sanft in die Pedale rollt los. „Ein bisschen wackelig war’s noch“, sagt sie hinterher. Der Stolz ist ihr aber anzusehen. Ganz schön mutig, diese Zirkuskinder . . .