Messer-Attacke: Wülfrather muss fünfeinhalb Jahre in Haft
Der 38-Jährige hatte seine Frau lebensgefährlich verletzt. Gericht: versuchter Totschlag.
Wülfrath. Am 12. März ist eine 35-jährige Türkin von ihrem damaligen Ehemann (38) in ihrer Wohnung in der Lindenstraße in Wülfrath mit drei Messerstichen lebensgefährlich verletzt worden. Die Frau, bei der Lunge, Leber und Galle getroffen wurden, überlebte nur dank einer Notoperation.
Der 38-Jährige - das Paar ist mittlerweile geschieden - hatte sich kurz nach der Tat selbst der Polizei gestellt und die Vorwürfe der Anklage zum Prozessauftakt vor dem Wuppertaler Landgericht Mitte November bestätigt.
Die Staatsanwaltschaft wertete diese Tat in ihrem Plädoyer vergangene Woche als versuchten Mord und forderte achteinhalb Jahre Haft. Verteidiger Tim Geißler beantragte eine Haftstrafe von weniger als drei Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Gestern urteilte das Landgericht: fünfeinhalb Jahre Haft wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung.
Welche tragische Geschichte hinter diesen juristischen Definitionen steckt, zeichnete das Gericht in der Urteilsbegründung gestern noch mal nach. Dabei lag der Fokus vor allem auf dem Leben des Opfers. Als Kind türkischer Eltern in Deutschland geboren und aufgewachsen, ging die junge Türkin hier zur Schule und absolvierte eine Lehre. "Eigentlich stand einem glücklichen Leben nichts mehr im Wege", sagte der Vorsitzende Richter. Doch die Eltern suchten ihrer Tochter einen Ehemann aus der türkischen Provinz. Todunglücklich habe sie sich dem Wunsch ihrer Eltern gefügt und versucht, das Beste daraus zu machen.
Doch schnell zeigten sich die Probleme: In einer Mischung aus Minderwertigkeitsgefühl und übersteigertem Geltungsbedürfnis habe der heute 38-Jährige auf seine ihm überlegene Frau reagiert, habe sie herabgewürdigt und ohne Grund geschlagen. Zudem habe er eine "archaische Vorstellung der Ehe" gehabt.
Immer wieder habe sich die Frau versucht, von ihrem Mann, mit dem sie fünf gemeinsame Kinder hat, zu trennen. Immer wieder sei sie vor allem ihrer Eltern wegen zu ihm zurückgekehrt. Im Februar dieses Jahres aber zog die 35-Jährige einen endgültigen Strich und verwies ihren Mann der Wohnung. "Sie war angeekelt von ihm", so der Richter.
Am 12. März - der Angeklagte hatte sich einen Zweitschlüssel zur Wohnung besorgt und dort in Abwesenheit der Frau gegessen und geschlafen - traf die 35-Jährige dann auf ihren Ex-Partner. Es entstand ein Streit, bei dem sie aber nicht mit einem Angriff auf ihr Leben rechnen musste, so der Richter. Als er begriffen habe, dass es diesmal keine Rückkehr geben würde, hätten sich seine Aggressionen Bahn gebrochen. Der Mann habe ein Fleischermesser gezogen und zugestochen. Dabei habe er zwar mit Tötungsvorsatz gehandelt, aber nicht heimtückisch, so das Gericht.
Der Angeklagte nahm das Urteil regungslos entgegen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.