Mit Mut auf die Musicalbühne

Stefanie Pütz sang früher im Nevigeser Gospelchor. Seit 2009 studiert sie Musical in München.

Neviges. Lebhaft, kess, selbstbewusst und eloquent: Wer Stefanie Pütz begegnet, erlebt eine Frau, die weiß, was sie will — begeistern und berühren. Der Ort: die Musicalbühne. Von 2005 bis 2009 war Stefanie Pütz Mitglied des Nevigeser Gospelchors „Voice’n’spirit“, mit dem sie unter anderem in der Stadtkirche und der Christuskirche in Erscheinung trat.

Am Dönberg aufgewachsen, studiert die 23-Jährige seit 2009 Musical an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München. Im Interview erzählt sie über ihren Weg zwischen Traum und Wirklichkeit.

Wie sind Sie zur Bayerischen Akademie gekommen?

Pütz: Ich hatte mich zuerst bei der Folkwang-Uni in Essen beworben und bin in der Endrunde gescheitert. Ich war unter den letzten fünf Frauen — die nehmen aber nur drei. In München hat sich die Aufnahmeprüfung dann über eine Woche hingezogen. Da wollte ich unbedingt hin, weil mein Freund in München ebenfalls Musicalstudent ist.

Gab es denn eine Alternative zur Bühne?

Pütz: Ich habe zwei Wochen lang BWL studiert. Das reichte. Abends am Küchentisch habe ich meinen Eltern klargemacht: ,Das ist unkreativ und furchtbar! Ich möchte später nicht nur meinen Job machen, sondern glücklich sein!’ Ich habe dann bei Burger King gejobbt, im TiC-Theater in Wuppertal Musicals und Revuen gespielt und mich ein Dreivierteljahr auf die Aufnahmeprüfungen vorbereitet: Ballettunterricht, Jazztanz, Schauspieltraining.

Sie haben den Studienplatz — aber wie oft haben Sie sich frustriert gesagt: ,Ich geh’ wieder nach Hause’?

Pütz: Das war schon im ersten Jahr, beim Ballett. Ich bin in einem tänzerisch starken Jahrgang gelandet und hatte das Gefühl, die Kluft zwischen mir und den anderen wird immer größer. In jeder Ballettstunde habe ich mich zusammengerissen, der Tränenkloß hing mir schon im Hals, und kaum sagte die Dozentin: ,Okay, für heute reicht’s’, habe ich meine Tasche genommen, bin aufs Klo gelaufen und habe geheult. Jede Stunde, zweimal die Woche. Aber weil wir eigentlich eine große Familie sind — auf 32 Studenten kommen 35 Dozenten — habe ich einige Zeit später mit der Dozentin gesprochen. Sie bot mir nach jeder Stunde Einzelunterricht an. Ein halbes Jahr, dann hatte ich aufgeholt — nicht aufgegeben!

Was ist Ihre Motivation, auf der Bühne zu stehen?

Pütz: Ich möchte Menschen zum Lachen und zum Weinen bringen. Ich möchte, dass mit dem Publikum etwas passiert. Dass sie berührt sind, mich fies finden oder sagen: Was die erlebt, muss schlimm sein, hoffentlich widerfährt mir das nie. Ich möchte nicht, dass ich da oben auf der Bühne stehe und die Zuschauer denken: Tja, schönes Kleid.

In welchen Rollen möchten Sie das Publikum erreichen?

Pütz: Ich wäre gern in ,Wicked’ die Hexe Elphaba, obwohl ich Höhenangst habe, denn da schwebt man ein paar Meter über der Bühne. Ich könnte mir auch die Jane in ,Tarzan’ vorstellen und in ,Cabaret’ die Sally Bowles. Meine Traumrolle findet sich allerdings in ,Next to Normal’. Darin geht es um eine Mutter, die depressiv ist, weil ihr Sohn als Baby gestorben ist. In Deutschland sind solche Geschichten ein Problem, weil viele Leute denken: Musical ist Entertainment. Wenn sie dann mit Depression und Tod konfrontiert werden, sind sie irritiert. Aber das reizt mich. Das Theater bietet die Chance, gesellschaftlich relevant zu sein.

Stellen Sie sich vor, Ihr Leben wäre das Musical „Der Zauberer von Oz“: Sie begegnen dem Blechmann ohne Herz, der Vogelscheuche ohne Verstand und dem Löwen ohne Mut. Wem fühlen Sie sich am nächsten?

Pütz: Ich würde mich allen nahe fühlen, weil Herz, Verstand und Mut auch in meinem Beruf wichtig sind. Es gibt immer wieder Situationen, in denen man kurz davor ist, den Verstand zu verlieren oder das Herz für die Sache. Und Mut braucht man sowieso, um auf die Bühne zu gehen und sich zu offenbaren. Man muss den Mut haben, glücklich zu werden mit dem, was man tut. Man braucht Menschen, die einen lieben, die einem helfen, sich wiederzufinden. Auch wenn die Bühne mein Leben ist, brauche ich eine Heimat, in die ich zurückkehren kann. Eine Heimat, in der ich einfach nur die Steffi bin, die mal gesungen hat.