Neviges: Friedliche Demo gegen Rechts

Unter dem Motto „Velbert ist bunt, nicht braun“ protestierten Hunderte gegen einen Aufzug Rechtsradikaler in Neviges.

Neviges. "Unser taktisches Konzept ist voll aufgegangen. Alle Veranstaltungen sind friedlich verlaufen. Es gab weder Ausschreitungen noch Verletzte. Niemand musste festgenommen werden." Es war Samstag kurz nach 16 Uhr, als Polizeiführer Ulrich Koch diese Bilanz des Einsatzes in Velbert-Neviges zog. Zu diesem Zeitpunkt rückten die letzten Polizeibeamten ab, wurden die letzten Absperrgitter auf kleine Transporter gestellt. In Neviges zog wieder Ruhe ein.

Sechs Stunden zuvor ein ganz anderes Bild: Der Aufzug von geschätzten 150 Rechtsradikalen in dem Wallfahrtsort und ihr anschließender Zug vom S-Bahnhof Neviges zur Station Rosenhügel sorgte für einen Großeinsatz der Polizei. Ein Stadtteil im Ausnahmezustand. Auch wenn offizielle Angaben seitens der Einsatzleitung nicht gemacht wurden, war angesichts der zusammengezogenen Hundertschaften unter anderem auch von der Bereitschaftspolizei Bochum und Wuppertal sowie der Bundespolizei auszurechnen, dass mehr als 700 Polizisten in und um Neviges herum eingesetzt waren - auch auf dem Krad, auf dem Pferd und in Hubschraubern in der Luft.

Entgegen der noch am Freitag geäußerten Vermutung, die Rechtsradikalen würden am Rosenhügel ankommen und in Richtung Neviges Mitte ziehen, sickerte am Samstagmorgen durch, dass Neviges-Mitte zentraler Ankunftsort sein werde. Am Rosenhügel sicherten trotzdem Dutzende Beamte das Umfeld ab. Gegen 10.15 Uhr traf aus Essen kommend eine rund 30-köpfige, dem linksautonomen Spektrum zuzuordnende Gruppe ein. Beamte geleiteten sie über die Elsbeeker Straße in das Wohngebiet Richtung Innenstadt.

Auf den Balkonen der Mehrfamilienhäuser verfolgten Anwohner die Situation. "Muss sowas sein? So eine rechte Demo? Haben die nichts aus dem Krieg gelernt", sagte eine Passantin im Vorübergehen. "Dieser Aufwand", meinte sie kopfschüttelnd und ging weiter.

Zu diesem Zeitpunkt versammelten sich unter dem Motto "Velbert ist bunt, nicht braun" unter der organisatorischen Leitung der IG Metall mehrere hundert Bürger an der Sparkasse an der Elberfelder Straße. Unter anderem mit Bürgermeister Stefan Freitag und der SPD-Bundestagsabgeordneten Kerstin Griese an der Spitze zogen sie durch die Fußgängerzone zum Brunnen.

"Wer Diktatur, Verachtung der Demokratie, Missachtung der Menschenrechte, Extremismus und Totalismus ablehnt und bekämpft, der muss dies nach allen Seiten tun", sagte Freitag unter dem Beifall der Kundgebungsteilnehmer. Der Bürgermeister bezeichnete es als "unbegreiflich", dass es Menschen gebe, die keine Konsequenzen aus dem millionenfachen Menschen- und Völkermord des NS-Regimes ziehen würden. Dieses Ideengut gehöre in den untersten Abgrund "des Abscheus, des Ekels, der Verwerfung".

Während die Veranstalter die Teilnehmerzahl auf gut 1000 schätzten, sprach die Polizei von 500 Kundgebungsteilnehmern. Parteien, Gewerkschaft und Kirchen hatten zum Schulterschluss gegen Rechts aufgerufen.

Wenige Meter weiter am Ausgang der Fußgängerzone hatten sich zeitgleich neben Schaulustigen auch Linksautonome direkt gegenüber des Platzes vor dem S-Bahnhof versammelt - in der Summe vielleicht 200 bis 300 Menschen, die lautstark skandierten: "Nazis raus!" Denn diese waren kurz nach 11 Uhr mit dem Zug aus Wuppertal an der S-Bahnstation eingetroffen.

Viele der Geschäftsleute hatten ihre Läden geschlossen, sogar die Schaufenster teilweise mit Spanplatten verbarikadiert. Einige hatten geöffnet, aber extra Sicherheitspersonal engagiert - für den Fall, dass die Lage eskalieren sollte.

Das tat sie aber nicht. Die Polizei hielt die Gruppen deutlich auf Distanz zueinander. Durch ein blaues Zelt wurden die Rechten auf ein abgesperrtes Areal des Parkplatzes geleitet. Im Zelt wurde jeder Demonstrant einzeln kontrolliert - auf Waffen oder auch auf verfassungsfeindliche Abzeichen und Symbole. Aufgerufen zu der Kundgebung unter dem Titel "Gegen Gewalt und Überfremdung" hatte die "Aktionsgruppe Rheinland" um den bundesweit bekannten Neonazi Axel Reitz aufgerufen.

Bevor sich die Gruppe auf den mehr als drei Kilometer langen Weg zum Rosenhügel machte, gab es eine erste Kundgebung an Ort und Stelle. Keine 250 Meter weiter stand zu diesem Zeitpunkt Errol O. Johnson auf der Bühne in der Fußgängerzone. Seine Version des Marley-Klassikers "Three little birds" sorgte kurzzeitig für heitere Stimmung unter den Gegnern des rechten Aufzugs. "Everything will be allright" sang er und Gewerkschafter, Christen, Gläubige, Politiker und Menschen von nebenan stimmten ein.

Um 13 Uhr zogen die Rechten dann los in Richtung Rosenhügel. Auf dem Vorplatz des S-Bahnhofes, wo die Linksautonomen standen, ertönten Trillerpfeifen und Buhrufe. Knapp eine Stunde benötigte der Tross für den Weg. Gegen 14.40 Uhr hatten sich dann alle Versammlungen aufgelöst - die Rechten fuhren mit der Bahn zurück nach Wuppertal.