Partei der Weber und Schlosser
Vor 110 Jahren wurde der „Allgemeine Arbeiterverein Tönisheide Neviges“ als örtliche SPD-Organisation gegründet. Uwe Holtz blickt zurück.
Neviges. „Die Gründungsväter waren mutig: Sie kämpften entschlossen für die damals Entrechteten und sozial Benachteiligten. Die Nevigeser SPD hat die Geschicke der Stadt Neviges maßgeblich, besonders während der ersten anderthalb Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, mitgestaltet und geprägt.“
Das stellt Professor Dr. Uwe Holtz fest. In sieben Schlaglichtern blickt der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete, der in Neviges seine politische Wurzeln hat, auf die Geschichte der Genossen — eine besondere Art der Gratulation: Morgen haben die Sozialdemokraten in Neviges Jubiläum. Am 28. August 1901 wurde der „Allgemeine Arbeiterverein Tönisheide Neviges“ als örtliche SPD-Parteiorganisation gegründet.
Ein Webermeister, 63 Jahre alt, wird Vorsitzender: August Lehmann. Drei weitere Weber und Schlosser komplettierten die Führungsriege — und bildeten damit auch einen Querschnitt der Mitgliedschaft. 61 Namen stehen nach der Gründungsversammlung im Mitgliederverzeichnis.
30 Prozent von ihnen waren Bandwirker, Weber oder Webermeister, ein Viertel Schlosser, 30 Prozent Fabrikarbeiter. 100 Jahre später machen Angestellte ein Drittel der 143 Mitglieder aus. 29 Prozent sind Arbeiter, Facharbeiter oder Rentner, elf Prozent Beamte.
Holtz stützt sich bei seinen Ausführungen auf das einstige Stadtarchiv Neviges, Zeitungsberichte, Polizeiakten und eigenes Erleben. So betont er auch die gemeinsamen Wurzeln von Gewerkschaften und SPD. Die Grundwerte der Sozialdemokratie — Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität — seien der Maßstab für Fortschritt und Ordnung der Gesellschaft.
„Heute, im Zeitalter der Globalisierung, würde die SPD einen fatalen Fehler machen, wenn sie sich von den gewerkschaftlichen Forderungen nach einer arbeitnehmer- und sozialgerechten Globalisierung abkoppeln würde“, stellt er fest.
Die Rolle der Genossen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und im Nationalsozialismus beleuchtet der Politikwissenschaftler ebenso, hält zum Beispiel fest, wie die Genossen unter Strafandrohung ihre Stadtratsmandate nicht wahrnehmen durften.
An Ewald Jochem macht er die Ära nach dem Zweiten Weltkrieg fest. Von 1948 bis 1961 war der SPD-Mann Bürgermeister in Neviges. Unter seiner Ägide gelang dort auch der größte Wahlerfolg: 54 Prozent für die SPD bei der Kommunalwahl 1956. Holtz: „Jochem war der Bürgermeister der 1950er-Jahre und der ruhende Pol in der bewegten Zeit.“
„Die Achtundsechziger — für eine antiautoritäre, alternative Kommunalpolitik“, „Die SPD Neviges im vereinten Velbert auf dem Weg zu neuen Ufern“ und eine Bilanz „Die politischen Geschicke der Stadt Neviges mitgestaltet und die Demokratie gestärkt“ — das sind Themenfelder, in denen Uwe Holtz weitere Schlaglichter setzt. Darin hebt er den Beitrag seiner Partei hervor, der zur Vertrauensbildung in Demokratie und Politik geleistet worden sei.
Die Fusion der drei Ortsvereine sei angesichts sinkender Mitgliederzahlen (zuletzt 90 in Neviges) und mangelndem Führungspersonal unausweichlich gewesen. Ein Problem sieht Holtz darin nicht. Er zitiert stattdessen den verstorbenen Vorsitzenden Hinnerk Tegtmeier zum Zusammenschluss: „Dies ist ein historischer Tag. Wir haben nichts aufgegeben, sondern etwas Neues angefangen.“