Ratingen: Neue Satzung im Visier
Das neue Waffengesetz führte zu einer Änderung der Satzung: Jetzt sind Sportschützen auch Bruderschaftler. Den traditionsbewussten Schützen stößt das auf.
Ratingen. Für die einen ist es lediglich eine Formalie, für die anderen aber eine tiefe Zäsur oder sogar der Beginn des Untergangs der Schützenbruderschaft. Frauen und Nicht-Christen als Mitglieder bei den St. Sebastianern? Das gab’s noch nie und wird es auch nie geben. Doch, gibt es. Eine Änderung der Satzung der Bruderschaft macht es möglich - formal auf dem Papier. Denn seit dem Sommer sind auch die Sportschützen fester Bestandteil der St. Sebastiani-Bruderschaft Ratingen. Da es bei den Sportschützen eben auch Frauen - sogar im Vorstand - und Nicht-Christen gibt, sind diese somit auch Mitglieder der Bruderschaft. Beschlossen wurde dies durch eine Satzungsänderung. Und diese neue Satzung treibt manchem traditionsbewussten Schützen die Zornesröte ins Gesicht.
Was ist geschehen, was steckt im Detail dahinter? Nach dem Amoklauf von Winnenden hat der Bundestag eine Verschärfung des Waffenrechtes beschlossen. Eine Folge davon: Sportschützen müssen künftig in einem Verein organisiert sein. Das stellte die Sportschützen der St. Sebastiani-Bruderschaft vor ein Problem. Sie waren seit ihrer Gründung vor 40 Jahren immer nur eine Abteilung der Bruderschaft, kein eigenständiger Verein. Also blieben zwei Möglichkeiten: Eine aufwändige Vereinsgründung mit allen Formalien oder die Verschmelzung mit der Bruderschaft. "Wir haben deshalb eine Satzungskommission gebildet, um die nötigen Änderungen vorzubereiten", erklärt Schützenchef Karl-Heinz Schneider. Ebenso habe es intensive Beratungen mit dem Rheinischen Schützenbund gegeben, dem Dachverband der Sebastiani-Bruderschaft.
Am 19.Juni, gerade mal einen Tag nach der Verabschiedung des Waffengesetzes im Bundestag, sollten die Ratinger Sebastianer auf ihrer Sommergeneralversammlung über die Änderung beraten. Pikant: Die örtlichen Medien waren erstmals nicht zur Generalversammlung eingeladen - "ein bedauerliches Versehen", wie es aus dem Vorstand heißt.
Zu den wichtigsten Änderungen zählt: Sportmitglieder gehören künftig ebenso zur Bruderschaft wie reguläre und Ehrenmitglieder. Allerdings bekommen die Sportmitglieder nicht die vollen Rechte. Sie haben auf den Generalversammlungen weder Sitz- noch Stimmrecht, sie dürfen nicht bei den Schießwettbewerben am Schützenfest teilnehmen und haben auch sonst in Belangen der Bruderschaft nichts zu melden. Dafür brauchen Sportschützen keine Beiträge an die Bruderschaft zu zahlen.
Von "Mitgliedern zweiter Klasse" will Schneider nicht sprechen: Zum einen sei etwa die Hälfte der Sportschützen zusätzlich noch Mitglied in einer Kompanie und dadurch auch vollwertiges Bruderschaftsmitglied. Und die übrigen wollten gar nicht aktiv in die Bruderschaft.
Also alles kein Problem? Doch, denn etliche Schützen sehen in dem Aufweichen der Aufnahmekriterien einen Verrat an den Grundfesten und Traditionen der 576 Jahre alten Bruderschaft, in der nur Mitglied sein durfte, wer männlich, 18 Jahre alt, von "unbescholtenem Ruf" und christlichen Bekenntnisses ist.
"Das ist nicht mehr die Bruderschaft von 1433", schimpft ein prominenter Schütze, der nicht namentlich genannt werden will. Jetzt könnten durch die Hintertür Männer, Frauen und Angehörige jeglicher Religion Mitglied werden. "Ich sehe ein Stück unseres Erbes flöten gehen." Der Leitsatz der Bruderschaft - Glaube, Sitte, Heimat - werde "fahrlässig in Gefahr gebracht und in Teilbereichen ausgehöhlt."
Christian Freund, Jurist und Platzmeister der Sebastianer, der auch bei der Ausarbeitung der neuen Satzung mitgewirkt hatte, beschwichtigt: "Wir werden keine Traditionen über Bord werfen." Karl-Heinz Schneider ergänzt: "Wir laufen nicht jedem Zeitgeist nach." Unmut herrscht in Teilen der Bruderschaft auch darüber, wie die Satzungsänderung "durchgezogen" wurde. Wurde überhaupt nach alternativen Auswegen gesucht? Warum wurden die Mitglieder nicht vor der Versammlung umfassend über die Problematik informiert? Der Bruderschaftsvorstand hält dem die Dreiviertel-Mehrheit entgegen, die für Satzungsänderung erforderlich war. Allerdings wurde diese Mehrheit nur hauchdünn erreicht: Zwei Stimmen weniger und es hätte nicht geklappt.