Ratingen: Politik ist schockiert über die Einzelheiten im Betrugsskandal
Bauamt: Erstmals wurde am Donnerstag öffentlich über die Korruption im Rathaus gesprochen. Der Hauptausschuss hatte viele Fragen.
Ratingen. Was ist genau passiert? Wie konnte das überhaupt geschehen? Mit Spannung erwartete am Donnerstag der Hauptausschuss die Erklärungen des Bürgermeisters zum aktuellen Betrugsskandal im Hochbauamt. Gemeinsam mit dem Ersten Beigeordneten Klaus-Konrad Pesch erläuterte Bürgermeister Harald Birkenkamp die Chronologie der Ereignisse und nannte auch Einzelheiten der bisherigen Ermittlungen. Diese Details sorgten für Fassungslosigkeit angesichts der Dreistigkeit und kriminellen Energie des noch in Untersuchungshaft sitzenden Mitarbeiters, aber auch für Kopfschütteln über das offensichtlich völlige Versagen aller Kontrollsysteme.
Die Chronik des Skandals: Am 23. April fällt im Rechnungsprüfungsamt (RPA) auf, dass Rechnungen mehrfach und auch für nicht erbrachte Leistungen bezahlt wurden. Am 29. April stellt Pesch Strafanzeige: Das RPA nimmt auch Rechnungen vor 2005 unter die Lupe. Der erste Zwischenstand der Prüfung am 4.Mai verschlägt der Verwaltungsspitze den Atem: Etwa zwei Drittel der 2500 Rechnungen im Gesamtvolumen von 4,6 Millionen Euro sind gefälscht.
Und laufend kommen neue Falschrechnungen dazu. "In dieser Zeit wurden übers Wochenende neun Rechnung über 23 000 Euro zusammengebastelt und sollten ausgezahlt werden", erklärte Pesch. Am 5. Mai schlagen Kripo und Staatsanwaltschaft zu: Büros und Wohnung des Mitarbeiters und seiner beiden mutmaßlichen Komplizen werden durchsucht, ihre Privatkonten gesperrt, die drei Akteure verhaftet.
Am 11. Mai erhält der städtische Mitarbeiter die fristlose Kündigung. Im Gespräch mit Bürgermeister und Personaldezernent habe der Mann völlig gelassen und abgeklärt gewirkt. In seinen Socken seien aber 7500 Euro versteckt gewesen.
Dass das kriminelle Treiben so lange und in solch gewaltigem Umfang funktionieren konnte, warf die meisten Fragen auf - zumal manche Falschrechnungen (oft nicht einmal mit Eingangsstempel) auch "ein Blinder hätte erkennen können", sagte Birkenkamp. Der Verwaltungschef wies darauf hin, dass es genaue Regeln und Dienstanweisungen gebe, wie Vergaben ablaufen müssen, wer dabei zu beteiligen ist. "Die Aktenführung ist nicht beachtet worden." Die Kontrollsysteme hätten nicht funktioniert. Es gebe aber keinen Sumpf im Hochbauamt.
Eine Schwachstelle ist indes schon sichtbar geworden: Es gibt kein Informationssystem über die 350 städtischen Gebäude. Dabei war das von der Politik schon vor 15 Jahren gefordert worden. Den Bestand soll jetzt ein externes Büro erfassen.