Ratingen: Speziallaster für die Goyas
Stadtmuseum: Gut klimatisiert - Die wertvollen Drucke sind am Dienstag in Ratingen eingetroffen.
Ratingen. Auf den Holzkisten steht zwar "Works of Art" (Kunstwerke) und "Fragile" (zerbrechlich). Ansonsten aber sieht die Ladung, die gestern früh am Seiteneingang des Stadtmuseums eintrifft, eher unspektakulär aus. Lediglich das betont vorsichtige Hantieren der Arbeiter und ein genauerer Blick auf die Ladefläche des Zwölftonners mit Freiburger Kennzeichen lassen erahnen, was es mit dem Inhalt der 27 fest verschraubten Holzkisten auf sich hat. Der nach außen hin ganz normale Lkw ist innen komplett mit Filz ausgeschlagen, die Halteseile nehmen kein Ende, und am Kopf, direkt hinter dem Führerhaus, hängt eine Klimaanlage unter der Decke.
"Die Temperatur wird während einer Tour konstant bei 18 Grad gehalten", sagt Fahrer Hans-Peter Zäpfel. "Über meine Armaturen hab’ ich das genau im Blick." Die 18 Grad sind ein Erfahrungswert und ideal für viele Kunstwerke. So auch für die 253 Goyas, die Zäpfel in gut fünf Stunden aus dem Breisgau ins Rheinland transportierte. Die wertvollen Druckgraphiken des spanischen Meisters Francisco de Goya (1746 - 1828) sind ab 8.November die Stars einer Ausstellung, nach der sich manch internationale Galerie die Finger lecken würde.
Melanie Ehler, seit Anfang Oktober neue Chefin im Stadtmuseum, kann es derweil kaum erwarten, die Kisten aufzuschrauben und den Inhalt in Augenschein zu nehmen. "Die Aufregung steigt minütlich", gesteht sie und freut sich vor allem, dass die Goyas die rund 500 Kilometer lange Reise unbeschadet überstanden haben. An den Kisten ist jedenfalls kein einziger Kratzer zu sehen.
Allerdings war der Transport bei Hans-Peter Zäpfel auch in erfahrenen Händen. Seit 16 Jahren fährt er für die Freiburger Spezialspedition Schütz ausschließlich Kunstwerke durch ganz Europa. "Für das Morat-Institut, das die Goyas zur Verfügung gestellt hat, machen wir quasi alles", sagt er. Von daher sei die Fahrt für ihn trotz der wertvollen Fracht "ganz normal" gewesen. "Unterwegs gab es keine besonderen Vorkommnisse." Nachdem Zäpfel sich den Empfang hat quittieren lassen, setzt er sich wieder ans Lenkrad gen Süden. "Ich muss runter nach Konstanz am Bodensee. Ein privater Kunstsammler hat uns gerufen."
Für Museumschefin Melanie Ehler, ihren Stellvertreter Klaus Thelen und das restliche Team beginnt nun die Arbeit. Die Räume müssen hergerichtet und fit gemacht werden für die bedeutendste Ausstellung des Jahres. In den nächsten Tagen wird daher ohne Unterlass gestrichen, gehämmert und gebohrt. Und es wird sich um die Goyas gekümmert. "Wir öffnen jetzt erst mal die Kisten, damit sich die Werke an die Luft und das Raumklima bei uns gewöhnen", sagt die Kunstexpertin.
Ein Vergleich mit einem Wein, der atmen muss, liegt nahe. Einfach so ausgepackt werden die unschätzbar wertvollen Exponate natürlich nicht - auch wenn sie schon fertig gerahmt und hinter Glas sind. Erst müssen weiße Spezialhandschuhe übergestreift werden. Umso feierlicher gerät gestern natürlich der große Moment, als Museumstechniker Hans-Siegert Litfin eine erste Radierung der "Caprichos"-Serie "El si pronuncian y la mano alargan al primero que llega" vorsichtig aus ihrem hölzernen Gefängnis befreit. "Einfach unbeschreiblich", frohlockt Melanie Ehler und kann den Blick nicht mehr abwenden. "Von mir aus kann’s losgehen."