Ratingen: Stadt ohne (Europa-)Wahlwerbung
Die Stadtverwaltung ziert sich, Werbeflächen für die Parteien zu stellen. Die wollen jetzt auf eigene Faust plakatieren.
Ratingen. Am 7. Juni ist Europawahl, in knapp fünf Wochen also. Doch viele Ratinger werden davon noch nichts bemerkt haben. Denn von der üblichen Wahlwerbung ist bisher nichts zu sehen. Sehr zum Ärger der Parteien.
Die warten seit Wochen vergeblich darauf, dass die Sammelflächen aufgestellt werden, auf Informationen, wie viel sie plakatieren dürfen - und auf grünes Licht aus dem Rathaus. Doch nichts ist geschehen. Auch nicht auf einen Antrag hin, den CDU, SPD, Grüne und Ratinger Linke am 21.April stellten.
Jetzt nehmen die fünf Parteien - mit Ausnahme der Bürger Union - die Sache in die Hand. In einer gemeinsam verfassten Selbstverpflichtung erklären sie, auf die städtischen Flächen zu verzichten und in Eigenregie kleinere Plakate im Stadtgebiet aufzustellen. Allerdings nur bis zu zehn Stück pro Wahlkreis.
Damit soll der Wildwuchs eingedämmt werden, der in der Vergangenheit die ganze Stadt zur Litfasssäule gemacht hat. "Wir wollen nicht noch einmal die Schlacht um das größte Papiervolumen erleben", sagte am Montag Elisabeth Müller-Witt, Vorsitzende der SPD Ratingen.
Die Vereinbarung der Fraktionen soll auch für die kommende Kommunalwahl und die Bundestagswahl gelten. Was die Europawahl angeht, ist das Kind allerdings schon fast in den Brunnen gefallen. Den Parteien läuft die Zeit davon, die Logistik ist aufwändig. "Die Plakatständer müssen wir jetzt wohl von Hand bauen, das wird eine Wahnsinns-Plackerei", sagt Müller-Witt.
Dabei handelt es sich bei der Wahlwerbung um ein Prozedere, das seit Jahrzehnten zwischen Verwaltung und Parteien erprobt ist. Nur in diesem Jahr lief alles anders. Erst habe sich die Stadt nicht gerührt und dann rechtliche Bedenken angemeldet, schildern die Politiker.
Plötzlich hieß es aus dem Rathaus, die praktische Hilfe bei der Wahlwerbung könne als versteckte Parteienfinanzierung ausgelegt werden. Und die darf eine neutrale Verwaltung natürlich nicht leisten.
Bürgermeister Harald Birkenkamp, hält sich aus den Wahlvorbereitungen explizit heraus, da er sich als Kandidat - allerdings für die Kommunalwahl - für befangen erklärt. Er wundert sich über die Probleme im eigenen Haus: "Die Bedenken kommen vom Wahlleiter", erklärte er der WZ.
Wahlleiter ist der Dezernent Klaus-Konrad Pesch, der mit seiner Einschätzung aber allein auf weiter Flur zu stehen scheint. Der Städtebund habe keine Einwände gegen die bisherige Praxis gehabt, sagt Birkenkamp.
Ein Brief an den Landrat soll jetzt endgültig Klarheit schaffen. Außerdem gibt Birkenkamp zu denken: "Ratingen hätte sonst 30Jahre lang etwas falsch gemacht."
Auch Elisabeth Müller-Witt hat sich bei ihrer Wahlkampfzentrale erkundigt, ob es andere Städte gibt, die sich derart anstellen. "Aber das ist einzigartig", hat sie erfahren. Zu Spekulationen, warum sich ausgerechnet die Bürger Union nicht an dem Protest der anderen Parteien beteiligt, hält sich die SPD-Vorsitzende bedeckt.
Sie ist inzwischen vor allem wütend über den Schaden, der schon entstanden ist. "Gerade bei der Europawahl müssen wir die Leute wachrütteln", sagt sie. Sonst droht eine noch traurigere Wahlbeteiligung, als ohnehin schon bei Europawahlen üblich.