Sie geben Salim eine Chance

Die Firma EVB hat den Flüchtling (32) als Azubi eingestellt. Vor acht Monaten sprach er noch kaum Deutsch — doch er ist hochmotiviert.

Foto: Simone Bahrmann

Neviges. Salim Rahman hat in Deutschland bei Null angefangen. Ohne Deutschkenntnisse musste der 32-jährige Bengale von einer Flüchtlingsunterkunft zur nächsten ziehen. „Ich hatte keinen Plan für die Zukunft“, sagt er im Rückblick. Mittlerweile haben sich die Karten für den politischen Flüchtling neu gemischt — und das alles nur, weil ihm ein Nevigeser Unternehmen sein Vertrauen geschenkt hat. Seit 1. August macht Rahman bei EVB an der Bernsaustraße eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement.

„Es gibt derzeit so viele geflüchtete Menschen, die Arbeit suchen. Da haben wir gedacht, wir wollen es einfach mal versuchen“, berichtet EVB-Marketing-Leiterin Sina Luckhardt von dem bewussten Schritt des Unternehmens, einen Flüchtling einzustellen. Unterstützung holten sie sich von der Flüchtlingsinitiative Inga aus Wülfrath, die das Stellenangebot des Energiemarkt-Dienstleisters an die potenziellen Bewerber brachte.

Zunächst starteten zwei Asylbewerber auf 450-Euro-Basis in Neviges. Beide sprachen noch kaum Deutsch und Teklit Gilay aus Eritrea hatte vor seinem ersten Arbeitstag noch nie an einem PC gesessen. Für Salim Rahman war die Büroarbeit allerdings kein Neuland. Er leitete in Bangladesch vier Jahre lang seinen eigenen Handy-Laden. Trotz der Sprachbarriere war Luckhardt, die den Flüchtlingen zunächst in der Marketing-Abteilung einfache Aufgaben anvertraute, begeistert von den Neulingen. „Die haben alles aufgesogen wie ein Schwamm“, berichtet sie. Während Gilay auf eine handwerkliche Ausbildung abzielt, schien die Büroarbeit genau auf den Bengalen zu passen. So wurde er kurzerhand Auszubildender.

Dass Rahman, der erst seit acht Monaten in einem Deutschkurs für die Arbeitswelt fitgemacht wird, ein zeitaufwendiger Azubi ist, daraus macht EVB keinen Hehl. „Es ist schon sinnvoll, mit Salim jeden zweiten Tag die Hausaufgaben der Berufsschule durchzugehen“, sagt Personalleiter Tobias Schmitz, der den Azubi momentan in seiner Abteilung betreut. „Viele Fachwörter verstehe ich nicht“, so Rahman. In seiner Berufsschulklasse ist er als Flüchtling noch Exot. „Ich kenne in der ganzen Schule noch zwei andere Flüchtlinge“, berichtet der Bengale, der seine Familie nach der Flucht in Indien zurücklassen musste.

Die Mehrarbeit, die das Unternehmen in ihren besonderen Azubi steckt, ist für Sina Luckhardt allerdings ein vertretbarer Aufwand. „Das ist in etwa so, als hätten wir einen 16-jährigen Auszubildenden. Klar, Salim stellt noch mal ganz andere Fragen, dafür hat er bereits ein viel größeres Verantwortungsbewusstsein“, sagt sie. Zudem sei er stets hochmotiviert. Kein Wunder: Für Salim Rahman hängt alles an seinem neuen Job. Er wird in Deutschland zunächst nur noch so lange geduldet, wie er einen Ausbildungsplatz hat.

Am Beispiel Gilay Teklit zeigt sich, dass sich noch nicht viele Unternehmen trauen, auf Flüchtlinge zu setzen. Auf 30 Bewerbungen, die er mithilfe von EVB verschickt hat, gab es bislang nur eine einzige Reaktion: eine Absage. Luckhardt sagt: „Andere Unternehmen sollten sich nicht so schwertun und Flüchtlingen eine Chance geben.“ Obwohl sie Verständnis hat, dass kleinere Betriebe den zeitlichen Aufwand nicht stemmen können. „Wir haben Glück gehabt, dass unsere Geschäftsführung da mitgespielt hat“, sagt Sina Luckhardt und Rahman hakt ein: „Ich habe Glück gehabt.“

Morgen erfüllt sich sein größter Traum: der Umzug in eine eigene Wohnung. Der Vermieter hat nur mitgespielt, weil eine Firma die Wohnung angemietet hat und nicht ein Flüchtling. Für Rahman ein Meilenstein, denn er weiß: „In einer Unterkunft kann man nicht in Ruhe lernen.“