So lebten die alten Wülfrather
Alltagsgeschichten aus dem späten 19. Jahrhundert, illustriert durch Karikaturen von Willi Münch, bietet die neue Veröffentlichung des Heimatbundes.
Wülfrath. Der Metzger kniet auf dem Borstenvieh und schlitzt es mit einem langen Messer auf. Ein Mann steht daneben und fängt mit einer Pfanne das Blut auf, das aus dem Tier läuft: „Mir war die Schweineschlachterei weniger erfreulich, das mark- und beindurchdringende Geschrei des Schweins, das vor unserer Tür auf dem Kirchplatz abmassakriert wurde, sehr peinlich.“
Eine Beschreibung einer alltäglichen Situation aus dem späten 19. Jahrhundert, die Dr. Otto Funcke (1836 bis 1910) in seinen Jugenderinnerungen „In der Schmiede Gottes“ niedergeschrieben hat.
Willi Münch hat die Szene zu einer bluttriefenden Karikatur animiert. Zu sehen ist sie in dem Büchlein „So lebten die alten Wülfrather“, das der Heimatbund herausgebracht hat.
Es ist gute Tradition, dass der Heimatbund seinen Mitgliedern zum Jahresende die Weihnachtsgrüße mit einer kleine Gabe verbindet. „Das war mal ein Liedertextbüchlein, mal eine CD. Aber auch Bilder von unserem Willi gab es“, sagt Vorsitzender Ralf-Robert Atteln und lächelt Willi Münch zu.
Der Ehrenvorsitzende, ehemalige Museumsleiter und passionierte Maler hatte vor zwei Jahren die „Wülfrather Geschichtssplitter“ für den Heimatbund zusammengestellt — und jetzt die Alltagsgeschichten aus Wülfraths Vergangenheit.
„Rau, karg und hart“, weiß Münch war das Leben im 19. Jahrhundert, aber auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dem 81-Jährigen war es ein Anliegen, Details aus dem Leben zu schildern. „Dabei habe ich ganz bewusst auf die Karikatur als Stilmittel gesetzt: Fröhliche, augenzwinkernde Bilder als Gegensatz zur Realität“, sagt Münch.
Als Grundlage dienten ihm nicht nur Funckes Erinnerungen. Auch aus Schriften und Büchern von Walter Heikaus, Carl Schmachtenberg und Lehrer August Lomberg zum Beispiel entnahm er Situationen, die er in seiner ihm eigenen Art bebilderte.
Entstanden ist ein kleines, amüsantes Geschichtsbuch, das mit einzelnen Begebenheiten Schlaglichter auf eine vergangene Zeit wirft: Zwei Männer im Weberkittel an einem hölzernen Tisch mit einer Flasche Korn — dazu die Information, dass 1891 in Wülfrath fünf Branntweinbrennereien mit Dampfkraft — bei damals 7000 Einwohnern — im Einsatz waren. Oder: Versonnen sitzt eine Person an einem Webstuhl — 1858 wurden bei den 4968 Einwohnern 411 Hauswebstühle gezählt.
Sei es die Geschichte des Stadtochsen, der quasi als Müllabfuhr eine Karre zog und 1945 bei einem Luftangriff getötet wurde, oder die deftige Küche mit Stilmus und Tonnenbohnen, der im 19. Jahrhundert ein Wülfrath-Lied gewidmet wurde — Wissen wird nebenbei eingestreut.
Dabei geht es nicht nur bierernst zu. „Wat pladdert do in miner Beek?“, zitiert Münch einen namenlosen Bauern, der Mitte des 19. Jahrhunderts Johann Peter Neumann, von 1819 bis 1861 Pastor der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde, im Adamskostüm in aller Öffentlichkeit im Bach planschen sah. Münchs Bild zeigt den Geistlichen vor der Silhouette der Stadtkirche im Krapps Teich badend — angegackert von zwei Enten.