Die Stadt lebt vom Dispo
Zwar sprudelt die Gewerbesteuer wieder, doch es bleibt ein jährliches Defizit in zweistelliger Millionenhöhe.
Velbert. Raus aus dem Nothaushalt, rein in ein genehmigungsfähiges Haushaltsicherungskonzept: Das ist das Signal, das von der gestrigen Einbringung des Haushaltsplanentwurfs in den Rat der Stadt ausgeht. Kämmerer Sven Lindemann legte erneut einen Doppelhaushalt vor.
Trotz steigender Einnahmen warnte er die Politik davor, den Entschuldungskurs zu verlassen. Denn: Obwohl die Erträge steigen, rechnet der Finanzchef der Stadtverwaltung auch in den kommenden Jahren mit Defiziten in zweistelliger Millionenhöhe. Ziel ist es, im Jahr 2017 wieder einen ausgeglichenen Etat vorweisen zu können.
Aus Sicht von Bürgermeister Stefan Freitag hat Velbert die Chance, die Zukunft selbst zu gestalten, „wenn wir den Mut dazu aufbringen“. Der strikte Sparkurs müsse fortgesetzt werden. Zwar falle in diesem Jahr das Minus 14,6 Millionen Euro niedriger aus als geplant. Aber mit einem Defizit von 11,6 Millionen Euro könne von Entspannung nicht die Rede sein.
Bis zum Jahr 2017 will die Rathausführung der Stadt ein weiteres Sparpaket in Höhe von 4,2 Millionen Euro verordnen. Damit hätte das Haushaltssicherungskonzept in der Summe ein Volumen von 68 Millionen Euro erreicht. Große Belastungen werden mit der Fortschreibung des HSK dem Bürger nicht abverlangt. „Ein Schwerpunkt ist die Aufgabe von städtischen Gebäuden“, skizzierte Lindemann — bestehende Schulen sind nicht betroffen, jedoch ist beispielsweise das Gebäude Jahnstraße der Hauptschule Am Baum durch den Bezug der neuen Hauptschule „freigezogen“.
Eher einen symbolischen Wert, den Freitag aber ernst genommen wissen werden will, hat der neuerliche Vorstoß, ab der kommenden Wahlperiode auf die Bezirksausschüsse zu verzichten. 100 000 Euro könnten damit eingespart werden. Freitag: „Diese lokalhistorische Verfassungsfolklore können wir uns nicht mehr leisten.“ Sollte die Politik aber der Meinung sein, dass ohne BZA ein Stück Bürgernähe fortfallen würde, schlägt der Bürgermeister was anderes vor: die Schaffung von mindestens drei weiteren Bezirksausschüssen Velbert-Nord, Velberter Westen und Tönisheide. „Das ist kein Witz.“
Während die Ausgaben fürs Personal stabil bleiben, sieht Lindemann bei den Liquiditätskrediten gefährlichen Sprengstoff. Laut Finanzplanung baut Velbert seit 2009 und noch bis 2017 rund 24 Millionen Euro an Investitionskrediten ab. Im gleichen Zeitraum steigen die Liquiditätskredite — der städtische Dispo — um 80 Millionen Euro auf dann 117,4 Millionen Euro. Heute sei der Zinssatz historisch niedrig. Ändere sich das, werde es gefährlich für die Stadt.
Bei der Haushaltskonsolidierung, so der Bürgermeister, könne man nicht auf Hilfe aus Berlin oder Düsseldorf hoffen. Er nannte die angekündigte Steuersenkung des Bundes — das Sechs-Milliarden-Geschenk bei einer Neuverschuldung in Höhe von 26 Milliarden — als Beispiel. Freitag: „Würden wir so haushalten, müssten wir die Grundsteuer um 20 Prozent senken und ein viertes kreditfinanziertes Schwimmbad eröffnen. Und dann wären wir immer noch finanzpolitisch seriöser als die Bundesregierung.“