Tiefenbroich: "Zum Sterben zu groß, zum Leben zu klein"
Die Pläne, Ackerland zu einem Gewergebiet zu machen, bringen die Tiefenbroicher auf die Barrikaden.
Tiefenbroich. "Zum Sterben zu groß, zum Leben zu klein." Das hat gesessen. Was Planungsamtsleiter Michael Hölzle jetzt im Bezirksausschuss Tiefenbroich über den Stadtteil sagte, ließ die Emotionen hochkochen.
Es ging um die geplante Ausweisung neuer Gewerbeflächen: Die Stadt will aus den Äckern zwischen Daniel-Goldbach-Straße, Im Rott und Sohlstättenstraße sowie neben dem Sackerhof bis zur Autobahn ein Gewerbegebiet machen. Mit diesen Plänen sorgte die Verwaltung für eine seltene Einigkeit unter den Ausschussmitgliedern: Einstimmig lehnten sie die Vorlage ab.
Ob diese Ablehnung dauerhaften Erfolg haben wird, ist eher unwahrscheinlich. "Bei dieser Fläche handelt es sich um eine der wenigen großen Gewerbeflächen, die Ratingen noch hat und sie ist dementsprechend wertvoll", begründete Michael Hölzle.
Dies ist den Tiefenbroichern allerdings herzlich egal. Denn mit einer Bebauung dieser Fläche wäre der Stadtteil faktisch in zwei Hälften geteilt, die Kleingärten zwischen Gewerbe eingekeilt. Außerdem würde die letzte große Grünfläche entlang der Anger unwiederbringlich verschwinden.
Zudem befürchtet man, dass doch verarbeitendes Gewerbe dorthin käme anstatt der gewünschten Dienstleistungsunternehmen. Aber auch die Verkehrsbelastung würde enorm steigen. "Die Sohlstättenstraße ist bereits ausgelastet. Sie kann nicht noch mehr Verkehr aufnehmen", äußerte man Sorge vor einem Verkehrschaos.
Für die Tiefenbroicher sind die Planungen der Verwaltung nur das letzte Zeichen dafür, wie man mit ihrem Stadtteil umgeht. "Seien Sie doch ehrlich und sagen, dass sie aus Tiefenbroich am liebsten ein reines Gewerbegebiet machen würden.
Damit könnten wir uns dann wenigstens auseinander setzen." Weil der Ortsteil durch Fluglärm, Autobahn und das bestehende große Gewerbegebiet bereits stark Lärm belastet ist, hat die Verwaltung schon vor Jahren einen Baustopp für Wohnungsbau erteilt. Das bedeutet, es gilt Bestandschutz, aber neue Baugenehmigungen werden nicht mehr erteilt.
Rüdiger Matyssek (CDU) konnte sich Ironie nicht mehr verkneifen: "Wohnen ist in Tiefenbroich nicht mehr zumutbar, seit Jahrzehnten wird der Stadtteil mehr oder weniger vergessen, aber wenn man plötzlich Aussiedler und Obdachlose unterzubringen hat, dann erinnert man sich bei der Verwaltung plötzlich an Tiefenbroich."
Man habe hier nicht so eine Lobby wie Lintorf oder Hösel, die die Verwaltung vor sich hertrieben, wie es ihnen gerade passt. "Aber gerade die, die sich nicht wehren können, brauchen einen besonderen Schutz", mahnte Matyssek.
Den Vorwurf, die Verwaltung würde sich nicht um Tiefenbroich kümmern, wies Planungsamtsleiter Michael Hölzle zurück. Er gab aber auch zu, dass "wir schon seit 20 Jahren herumwurschteln, weil die Situation so schwierig ist."
Weil kein Wohnungsbau möglich ist, habe sich die Stadt für schonendes Gewerbe entschieden. Bei einer Änderung des Flächennutzungsplans würde genau geprüft, ob eine Zerstörung der Frischluftschneise - als solche gilt der Acker - überhaupt tragbar wäre. Gestern verwies der Stadtentwicklungsausschuss das Thema in den Hauptausschuss.