Tönisheide: Werner Schween legt die Posttasche beiseite
Tönisheide ist seine Heimat und war auch fast immer beruflich sein „Revier“. Jetzt geht Zusteller Schween nach 50 Jahren in den Ruhestand.
Tönisheide. Auf Tönisheide gibt es kaum jemanden, der Werner Schween nicht kennt - was anders herum aber wohl genauso gilt: An diesem Wochenende feiert der Tönisheider Briefträger seinen 65. Geburtstag und geht in einigen Tagen nach fünf Jahrzehnten im Dienste der Post in den Ruhestand.
Das Schuljahr endete zu Ostern und die Schulzeit mit Abschluss der achten Klasse, als der damals 14-Jährige 1959 die Tönisheider Volksschule verließ und seine Karriere in Velbert als Postjungbote begann. Die Deutsche Bundespost, nach der Bundesbahn zweitgrößter Arbeitgeber in Deutschland, besaß noch Behördenstatus, die Post im Stadtviertel hieß Postamt und Mitarbeiter wie Schween waren Beamte: "Heute eine aussterbende Rasse", sagt der Tönisheider, denn seit der Privatisierung des gelben Riesen geht die Ära der Staatsdiener in Postdiensten ihrem Ende entgegen.
Die Ausbildung in der Schlossstadt blieb indessen nur ein kurzes Intermezzo "fern der Heimat". Nach drei Jahren kehrte Schween auch dienstlich nach Tönisheide zurück - fortan für viele Jahre "sein" Revier. Vor allem in den vergangenen Jahren hat sich jedoch einiges geändert: "Jahrzehntelang haben wir zum Beispiel unsere Post selber sortiert, erst in der Schubertstraße, zum Schluss an der Wilhelmstraße", erinnert sich der angehende Pensionär.
Seit drei Jahren treffen sich die vier Tönisheider Zusteller morgens in einem angemieteten Ladenlokal an der Nevigeser Straße. Dort stehen die aus Langenfeld angelieferten Kisten mit der tourweise vorsortierten Post, werden nur noch auf die Briefträger - respektive Briefträgerinnen - verteilt: Bei "seinen drei Mädels" ist Schween der Hahn im Korb. "Wir haben ihn aber ganz gut erzogen", sagt Kollegin Jolanta Golfmann schmunzelnd.
Das Sortieren vermisst Schween nicht sonderlich: "Damit war man je nach Wochentag bis zu zwei Stunden beschäftigt, bevor es rausging." Raus - das ist seit zwei Jahren die Tour mit einem VW Caddy, mit dem er in Teilen von Neviges unterwegs ist. Auf Tönisheide bedient er nur noch das Gebiet auf der Drenk.
Werner Klever steht gerade vor der Haustür, als Schween um die Ecke biegt. Er kennt den Zusteller seit dem Einzug ins eigene Heim vor 40 Jahren: "Uns wird er fehlen", bedauert Klever, der wie die Nachbarn längst von der bevorstehenden Pensionierung weiß. Ein paar Häuser weiter sind Helmut und Reinhilde Jäckel im Vorgarten beschäftigt.
Sie sind in vier Jahrzehnten zwei Mal in Tönisheide umgezogen - Schween ist stets ihr Briefträger gewesen. "An der Beethovenstraße hatten Sie doch diesen gelben Balkon?" erinnert er sich. Reinhilde Jäckel lacht: "Ja, wir haben ihn nur Kommandobrücke genannt." Ein Plausch ist immer drin, manchmal auch op Tönneshejder Platt.
Zwei Häuser weiter ertönt lautes Bellen hinter der Tür, als Schween die Briefe durch den Türschlitz schiebt: "Mit Hunden hatte ich eigentlich nie Probleme", so der Tönisheider. Nur einmal hat es ihn erwischt, vor zwei Jahren an der Maikammer. Ein Dackel hing ihm plötzlich an den Fersen: "Die Hose hatte nichts abbekommen, aber im Bein war ein ordentliches Loch", erinnert er sich an den Biss und biegt in den nächsten Hauseingang ein. Hat sich die Art der Post mit den Jahren verändert? "Die persönlichen Briefe sind weniger geworden, dafür gibt es mehr Infopost", ist sein Eindruck.
Langsam nähert sich die Tour ihrem Ende. Viel früher half er danach zeitweilig am Schalter aus, erst in dem winzigen Postamt auf dem heutigen Netto-Gelände, später auch an der Schubertstraße - wie lange ist diese Filiale schon geschlossen? Ein weiterer Nachbar winkt, wünscht Schween alles Gute für den Ruhestand. Langweilig werde ihm bestimmt nicht, meint der Familienvater. Ehefrau Renate habe für für ihn zu Hause reichlich zu tun. Und dann ist da ja noch die KG Zylinderköpp - aber bei denen ist er "erst" seit 38 Jahren Mitglied.