Velbert: Anklage im Fall Kassandra noch vor Weihnachten
Velbert/Wuppertal. Der Wuppertaler Staatsanwalt Rüdiger Ihl will "auf jeden Fall vor Weihnachten" die Anklageschrift im Fall Kassandra fertiggestellt haben. Der Tatvorwurf werde, wie im Haftbefehl, auf versuchten Mord lauten, sagte Ihl am Mittwoch.
Der 14-jährige Tatverdächtige soll die neunjährige Kassandra aus Neviges im September mit Steinschlägen schwer verletzt und anschließend in einen Gullyschacht gesteckt haben. Dort war das Kind nach stundenlanger Suche gefunden worden - unterkühlt und mit schweren Verletzungen am Kopf und im Bauchraum. Wäre sie nicht gerade noch rechtzeitig entdeckt worden, hätte sie in dem Schacht sterben können. In der Nacht hatte es zudem stark geregnet.
Der 14-Jährige aus der Nachbarschaft von Kassandras Familie schweigt laut Staatsanwaltschaft weiterhin zu den Vorwürfen. Der verhaltensauffällige Junge ging auf eine Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung. Anfang Oktober wurde er aufgrund von Indizienbeweisen verhaftet und sitzt seither in Untersuchungshaft. Die Polizei stellte Faserspuren vom Pulli des 14-Jährigen an Kassandras Jacke sicher, außerdem an einem Stein, der möglichen Tatwaffe. Zudem wurde er von Zeugen in unmittelbarer Nähe des Tatorts gesehen.
Seine Anwältin, die Strafverteidigerin Astrid Denecke aus Hamburg, will sich zurzeit nicht zu dem Fall äußern. Die Indizien gegen ihren Mandaten hatte sie zuvor als "äußerst dürftig" bezeichnet. Drei Haftbeschwerden waren jedoch von den zuständigen Gerichten abgelehnt worden. Auch die Eltern des im Velberter Stadtteil Neviges sehr bekannten Jugendlichen bezweifeln, dass ihr Sohn die Tat begangen hat.
Kassandra konnte vor einigen Wochen die Uni-Klinik Essen verlassen, wo sie zwei Monate lang behandelt worden war. Es soll ihr "den Umständen entsprechend relativ gut" gehen. An das Tatgeschehen kann sich das Mädchen aber nach wie vor nicht erinnern. So wird es offenbar auf einen Indizienprozess hinauslaufen. Dieser wird laut Ihl nichtöffentlich vor einer Jugendkammer als Schwurgericht am Landgericht Wuppertal stattfinden.
Bis das Gericht den Prozess eröffnen wird, könne es noch einige Zeit dauern. "Das Gericht stellt dem Angeklagten und seiner Verteidigung die Anklageschrift zu, danach gibt es Fristen, sich zu äußern, und es müssen Termine - beispielsweise mit Gutachtern - gemacht werden", erläuterte der Staatsanwalt das Verfahren.Befindet sich ein Jugendlicher in Untersuchungshaft, so ist das Verfahren mit besonderer Beschleunigung durchzuführen, heißt es im Jugendgerichtsgesetz. Dass die Anklageschrift nach gut zweieinhalb Monaten vorliegen werde, bezeichnete Ihl als "hervorragende Leistung": "Wir haben 1700 Blatt Papier - schneller geht’s nicht."
Im Falle einer Verurteilung drohen dem Jugendlichen bis zu zehn Jahren Haft. In Neviges hatte die Tat Entsetzen ausgelöst. Im Zuge der Ermittlungen war die Polizei zudem auf einen Missbrauchsfall gestoßen. Ein 59-jähriger Geschäftsmann aus dem Ortsteil wird verdächtigt, mindestens drei Jungen im Alter von 14 und 15 Jahren sexuell missbraucht zu haben.