Velbert: Gitarren für Mensch und Stadt
Wettbewerb: Mit Ehrungen und Preisträgerkonzert ging das Jugend-Gitarren-Ereignis zu Ende.
Velbert. Fünf Minuten vor Acht herrscht plötzlich Stille im Saal. Ein Junge mit Gitarre kommt auf die Bühne, setzt sich, platziert seine Fußbank. Schnell und routiniert werden alle Saiten gestimmt, dann setzt er an - das Publikum hält den Atem an. Am Samstagabend endete der 6. Internationale Jugendwettbewerb für Gitarre in Velbert. Das Finale bildete ein Konzert der bestplatzierten Gitarristen im Forum Niederberg.
Alecu Vicentiu Ciapi, so der Name des Jungen, ist heute als erster dran. Während der junge Rumäne einen Tango nach Francisco Tárrega auf die Saiten haucht, betrachtet das Publikum seine konzentriert geschlossenen Augen. Der eine oder andere bemerkt vielleicht, dass Alecu Socken mit Gitarren darauf trägt. Mit verschiedenen Zupf- und Anspieltechniken zeigt er, dass selbst die Altersgruppe der Elf- bis 13-Jährigen hier schon zu den Weltbesten gehört. "Bitte rufen Sie es sich noch einmal in Erinnerung", verkündet der Moderator "dass es sich bei unseren Künstlern unter anderem um Kinder handelt."
Auch die Jüngsten müssen sich bei dem dreitägigen Wettbewerb einer Fachjury stellen, die letztlich über die Platzierungen entscheidet. "Viel wichtiger ist aber das persönliche Feedback für die Musiker", erläutert Frank Eerenstein. "Man muss aber ehrlich sein: Einige der Teilnehmer haben ihre Lehrer bereits übertroffen." Eerenstein, der Leiter der Velberter Musikschule, ist für die Durchführung des Wettbewerbs verantwortlich und ist sichtlich stolz auf die Musiker und die Stadt Velbert. "Das Niveau des Wettbewerbs ist sehr hoch. Zum Vergleich muss man sich vorstellen, dass nur rund zwei Prozent der Teilnehmer der Bundeswettbewerbe das Zeug haben, hier teilzunehmen", streicht Eerenstein den Stellenwert der Veranstaltung hervor. Alle zwei Jahre ist Velbert Dreh- und Angelpunkt der weltweiten Gitarrenszene.
Inzwischen sitzt Aran Choi samt Gitarre auf der Bühne des großen Saals des Forums Niederberg. Die Südkoreanerin gewann mit einer Prelude von Johann Sebastian Bach sogar den ersten Platz ihrer Altersgruppe (elf-13Jahre) - zusammen mit der Chinesin Kaiieng Chan. Aran präsentiert ihr Stück mit Hingabe, wiegt sich im Klang der eigenen klassischen Musik und scheint für einige kurze Momente ganz allein mit ihrem Instrument zu sein. Nah streicht ihr Gesicht am Hals der Gitarre vorbei - dann lässt sie die letzte Note ausklingen und lässt den Applaus der rund 300 Zuschauer über sich hereinbrechen.
"Es ist schon eine Schande, dass der erste Platz auf dem Siegertreppchen nicht breiter ist", bedauert nicht nur Bernd Tondorf, der stellvertretende Bürgermeister, der die jungen Virtuosen lobt. "Man sieht die jahrelange harte Arbeit, die in dieser Kunst steckt. Die Musiker des heutigen Abends sind ein Vorbild für alle Jugendlichen." Auch Professor Albrecht Eickholt ist begeistert. Der deutsche Vertreter der Vereinigung der Europäischen Gitarrenlehrer (EGTA) stammt aus Velbert und hat den Wettbewerb, der nach dem weltberühmten Gitarristen Andrés Segovia benannt ist, in die Stadt geholt. "Ich war Teil der Jury in der jüngsten Altersklasse. Und es heißt schon was, wenn wir bei 23 Teilnehmern allein 15 Mal das Prädikat exzellent vergeben konnten."
So wundert es auch nicht, dass die drei Jurys sich nicht auf die traditionelle Platzvergabe einließen, sondern die jungen Musiker in Relation zueinander sahen. "Im Zweifelsfall gibt es dann eben zwei erste Plätze, die sich die Preisgelder des ersten und zweiten Platzes teilen", sagt Frank Eerenstein. Zudem verschenken die Gitarrenbauer Höfer und Dumitriu zwei ihrer Meistergitarren nach eigenem Gusto unter den Teilnehmern.
Eine emotionale Achterbahnfahrt bereitet dem Publikum währenddessen Niels Pfeffer, einer der drei deutschen Teilnehmer unter den 15 Bestplatzierten. Sein Einstieg wirkt verbittert, wenn seine Finger mal leicht, mal kraftvoll die Saiten abgreifen. Niels´ Gesicht verzerrt sich mit seiner Musik, dann wird der Klang bedrohlich, gefolgt von nahezu trotzigen Akkord-Griffen. Nach dem ruhigen Ende klatscht und johlt das Publikum ausgelassen. Zuvor hatte Bernd Tondorf ein vorzeitiges Resümee gezogen: "Gitarrenmusik war ursprünglich Kammermusik. Wir haben sie aus der Kammer gezogen und in die Stadt und zu ihren Menschen gebracht."