Velbert Klinikum bangt wieder um Frühchenversorgung

Velbert · Station soll nach dem Willen der Landesregierung geschlossen werden – CDU-Landtagsabgeordneter Sträßer will bei Minister Laumann intervenieren.

Eigentlich müsste die Versorgung der Kleinsten am Klinikum sofort eingestellt werden. Doch Helios will erst einmal weitermachen.

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Als Anfang September 2020 im Zuge der Krankenhausrahmenplanung das Vorhaben, die Frühgeborenenstation am Helios Klinikum Niederberg zu schließen, von der damaligen schwarz-gelben NRW-Landesregierung zu den Akten gelegt wurde, war die Erleichterung im nördlichen Kreis Mettmann groß. Doch jetzt muss das Velberter Krankenhaus erneut um seine Frühchen-Versorgung kämpfen.

Als einziges Haus im Kreisgebiet verfügt das Klinikum Niederberg neben der Geburtshilfe über eine Kinderklinik mit perinatalem Schwerpunkt. Jetzt droht der Klinik die Aberkennung des Versorgungsauftrags für Risikoschwangere und Frühgeborene – das sogenannte Level III. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales der nun schwarz-grünen Regierung in Düsseldorf sehe aktuell keinen Bedarf für die frühgeburtliche Versorgung im Kreisgebiet mit knapp 500 000 Einwohnern – das verdeutliche der Ende Dezember zugestellte Feststellungsbescheid, der vorbehaltlich der Entwicklung in den anderen Regionen erteilt wurde. Hier sei Velbert die Stadt mit der höchsten Geburtenzahl im Kreis Mettmann, in dem das Helios Klinikum Niederberg die größte Geburtshilfe sowie die einzige perinatale Schwerpunktversorgung vorhält, teilte Helios am Donnerstag mit.

Klinikum-Geschäftsführer Adrian Borner warnt vor den Folgen dieser Entscheidung: „Dies würde bedeuten, dass wir in Velbert künftig keine Frühgeborenen und Risikoschwangerschaften mehr versorgen dürfen und dadurch gezwungen wären, die Neugeborenen-Intensivstation zu schließen. Leidtragende wären ausgerechnet diejenigen Schwangeren, die unsere Fürsorge am meisten brauchen.“ Borner sieht darin auch eine ernsthafte Bedrohung für die Kinderklinik am Standort.

Der Kreis Mettmann befürchtet eine Unterversorgung

Zu dieser Einschätzung komme auch der Kreis Mettmann in einer Stellungnahme: Dem Helios Klinikum Niederberg den Status des perinatalen Schwerpunkts zu entziehen, würde auch die Existenz der einzigen Kinderklinik im Kreis Mettmann drastisch beeinflussen und wäre wenig zielführend, gibt der Klinikkonzern die Auffassung der Kreisverwaltung wieder. Ferner hebe der Kreis hervor, dass die enge Verknüpfung der Leistungsbereiche Pädiatrie, Geburtshilfe und frühgeburtliche Versorgung bei der Planung dringend berücksichtigt werden müsse, um eine plausible und bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten und weise auf eine drohende Unterversorgung durch längere Weg- und Transportzeiten hin.

Dabei erfülle das Helios Klinikum Niederberg nach eigen Angaben alle erforderlichen Qualitätskriterien und verfüge über eine etablierte Struktur, die von den Einwohnern im Kreis geschätzt wird. „Die Zielsetzung einer bedarfsgerechten und effizienten Gesundheitsversorgung und die Leistungskonzentration auf medizinische Zentren halten wir für richtig. Hier aber können wir das vorgezogene Verfahren und insbesondere die vorläufige Aberkennung des Versorgungsauftrages mit all seinen absehbaren Wechselwirkungen nicht nachvollziehen“, betont Adrian Borner, „zumal die vorläufige Nichtzuweisung gravierende und möglicherweise irreversible Effekte auf die Patientenversorgung und das hochqualifizierte Personal haben könnte.“ Denn: Stehen nicht mehr die für einen perinatalen Schwerpunkt erforderlichen Strukturen zur Verfügung, wenden sich zuerst die mobilen Patientinnen anderen Einrichtungen zu. Zugleich wendet sich spezialisiertes Personal aus fachlicher Sicht attraktiveren Standorten zu. Beides bewirkt in einem Domino-Effekt eine Schwächung der Angebote der Geburtshilfe.

Das Nachsehen hätten weniger mobile Patientinnen, denen dann das Angebot in Wohnortnähe fehlt. Was bedeuten würde, dass gerade diese Familien im Ernstfall einen langen Fahrtweg mit ungünstigen Verbindungen zu einem der Krankenhäuser in Kauf nehmen müssten, die im Radius von 30 Kilometern noch frühgeburtliche Schwangerschaften und Risikopatientinnen behandeln dürften. Auch eine Verlegung oder die primäre Vorstellung in den Geburtskliniken Wuppertal, Essen und Düsseldorf würde für diese Familien eine zusätzliche Belastung darstellen. „Es ist daher nicht nur widersprüchlich, sondern zutiefst besorgniserregend, dass eine solche Entwicklung in Anbetracht der bereits bestehenden Probleme in deutschen Kinderkliniken scheinbar so leichtfertig hingenommen wird. Und es geht völlig an den Bedürfnissen in der Region vorbei“, sagt Prof. Stefan Wirth, langjähriger Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin in Wuppertal und Velbert.

Klinikum will Leistungen bis zur endgültigen Klärung fortführen

Das Klinikum will seine Leistungen bis zur endgültigen Entscheidung weiterhin anbieten, notfalls auf eigene Kosten, und hofft auf eine positive Lösung des Konflikts, auch unter Einbeziehung juristischer Schritte, der Öffentlichkeit und der Politik, was 2020 bereits zum Erfolg führte.

Der für Velbert, Wülfrath und Teile Mettmanns zuständige CDU-Landtagsabgeordnete Martin Sträßer sorgt sich von der WZ befragt ebenfalls um die Versorgung für Risikoschwangere und Frühgeborene im nördlichen Kreisgebiet. Die Insolvenz des Krankenhausträgers KPlus im Süden des Kreises habe dazu geführt, dass die Planung für das Versorgungsgebiet Mettmann kurzfristig vorgezogen werden musste. „Das war richtig und notwendig, um die Versorgung mit Krankenhausleistungen im Kreisgebiet sicherzustellen. Leistungen für Risikoschwangere und Frühgeborene waren davon aber nicht betroffen“, so Sträßer. Trotzdem enthalte der „vorläufige Feststellungsbescheid“ für das Velberter Krankenhaus diesen bisher angebotenen Versorgungsauftrag nicht mehr. Hintergrund sei, dass diese Leistungen erst im weiteren Planungsverfahren mit benachbarten Versorgungsgebieten abgestimmt werden sollen. Martin Sträßer weiter: „Das ist zwar im Grundsatz richtig und entspricht dem ursprünglich geplanten Verfahrensablauf. Es führt in diesem Ausnahmefall aber zu nicht gewollten Ergebnissen.“ Problematisch sei, dass der Bescheid keine aufschiebende Wirkung hat, sondern sofort vollzogen werden muss. Das würde dazu führen, dass das Velberter Krankenhaus die bisherige, über die Geburtshilfe hinausgehende Versorgung für Risikoschwangeren und Frühgeborene sofort einstellen und abwickeln müsste.

Der Landtagsabgeordnete hält dies für nicht beabsichtigt und deshalb auch nicht gesetzeskonform: „Ziel war es, alle Leistungen flächendeckend nahezu gleichzeitig neu zu verteilen. Die sofortige Vollziehbarkeit sollte eine verlässliche und schnelle Umsetzung ermöglichen und die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherstellen. Die sofortige Vollziehung des Feststellungsbescheids für das Klinikum Niederberg würde dagegen dazu führen, dass Leistungen für Risikoschwangere und Frühgeborene wegfallen, ohne dass anderen Krankenhäusern diese Versorgungsaufträge bereits zugewiesen wurden.“

Sträßer will sich deshalb umgehend an Gesundheitsminister Karl Josef Laumann wenden und ihn bitten, wegen der Besonderheiten dieses Einzelfalles den vorläufigen Feststellungsbescheid anzupassen, damit das Velberter Krankenhaus zumindest bis zur Verteilung der Versorgungsaufträge seine Leistungen für Risikoschwangere und Frühgeborene weiter anbieten kann.

Zugleich wünscht sich der Abgeordnete, dass das Klinikum Niederberg diesen Versorgungsauftrag im weiteren Verfahren zugesprochen bekommt: „Es wäre nicht nur für den Krankenhausträger, sondern vor allem für die Patientenversorgung im Kreis Mettmann ein gutes Signal.“