War der Messereinsatz geplant?
Im Fall des getöteten Ersoy S. stehen zwei der mutmaßlichen Täter wieder vor Gericht.
Wülfrath. Fast genau auf den Tag zwei Jahre nach der Tat, sind die Geschehnisse, die zum tödlichen Angriff auf Ersoy S. geführt haben, wieder allgegenwärtig. Saal 4 des Landgerichts Wuppertal: Selim K. und Marc S. stehen wieder vor Gericht. Der Bundesgerichtshof hat der Revision des als Haupttäter bewerteten K. stattgegeben und das Urteil gegen ihn, aber auch S. aufgehoben. Der Vorsitzende Richter Ulrich Krege macht zum Prozessauftakt am Montagmorgen aber auch deutlich, dass nur ein Aspekt betroffen ist: „Es fehlt die Beweiswürdigung, dass der Messereinsatz geplant war.“ Die Revision des dritten Täters, Nayif T., wurde abgelehnt. Er ist in der neuen Verhandlung der erste Zeuge.
Gab es einen Plan, Nayif Ts Messer einzusetzen? Das ist die Frage, die die 4. Strafkammer und 2. Jugendkammer klären müssen. Einen weiteren Aspekt bringen zu Beginn Ks Verteidiger ein: K. habe ein Alkohol- und Drogenproblem und würde darüber auch mit den Sachverständigen reden wollen — was er beim ersten Prozess im vergangenen Jahr noch abgelehnt hatte.
14. April 2010, Tiegenhöfer Straße 31: K., T. und S. stürmen in das Mehrfamilienhaus. Es ist kurz vor 23 Uhr. K. tritt die Tür zu einer Wohnung ein, in der er das spätere Opfer Ersoy S. wähnt. Was folgt, liest Krege in detaillierten Schilderungen vor. Prozessgeschichte. Damals wie heute macht die Brutalität, mit der K. und T. vorgegangen sind, erschrocken. Mit Knüppeln zugeschlagen, mit Messer zugestochen, Tritte gegen Kopf und den Hals. S. hat demnach nicht aktiv eingegriffen, aber auch nicht die Taten unterbunden. Sie flüchten. Um 0.17 Uhr wird von den Rettungskräften Ersoys Tod festgestellt.
Die Obduktion ergibt, dass unterschiedliche Handlungen als Ursache in Frage kommen. Es können die Tritte gewesen sein, oder auch ein Messerstich, die im Oberschenkel eine Arterie zertrennt hatte. Das Landgericht spricht K. und T. schuldig — Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag. S. wird wegen Beihilfe zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Selim K. und Marc S. werden sich im neuen Prozess nicht zur Sache einlassen. S. berichtet zumindest über seinen Weg seit dem Prozess. Er lebt inzwischen in München. Hat dort im vergangenen Spätsommer eine Lehre zum KFZ-Mechatroniker begonnen. K. sitzt seit dem 15. April 2010 in Untersuchungshaft. T. wird als Zeuge aufgerufen. Er sitzt seine Strafe in der JVA Remscheid ab. Er will aussagen. „Ich rede“, sagt er. Dass er ein Messer dabei hatte, hätte jeder gewusst. Das habe er immer, wenn er rausgehe. Dass bei der späteren Tat sein Messer zum Einsatz kommen sollte, sei „nicht wirklich“ abgesprochen gewesen. Aber K. habe ihn beim Überfall gedrängt, das Messer einzusetzen. Er habe schließlich zugestochen, „aber nur um mich zu wehren“.
Einen breiteren Raum nimmt der Komplex Drogen- und Alkoholkonsum ein. Hier hören Selim Ks Verteidiger genau hin, nicken immer wieder. K. habe regelmäßig Marihuana und Speed, manchmal auch Kokain konsumiert, und getrunken.
Der Prozess ist auf zunächst vier Verhandlungstage angesetzt. Am Mittwoch geht es weiter.